Lasst uns aufstoßen und ins Horn brechen! Oder so ähnlich. Sony dringt mit neuen Kameras (links die Alpha 99 II, rechts die Alpha 6500 mit dem 24-70 mm Zoom aus der G Master-Serie) immer öfter gefährlich weit in das Revier der Platzhirsche Canon und Nikon vor und schnappt sich große Stücke vom Umsatz-Kuchen. Zurzeit „wildert“ die Sony Alpha 6500, firmenintern als „Alleskönner im Taschenformat“ bezeichnet. An der Objektiv-Front wurde ebenfalls stark aufgerüstet.
So viele Punkte hat sonst keine
Zurück zur Alpha 6500: Das spiegellose E-Mount-Gehäuse mit APS-C-Sensor soll jeden von insgesamt 1699 Euro wert sein. Schlagkräftige Argumente: ein verbesserter Buffer für Serienaufnahmen, eine integrierte, optische 5-Achsen-Stabilisierung, Touchscreen-Steuerung. Als neuster Vertreter der E-Mount-Familie verfügt die Alpha 6500 über das gleiche „4D Focus“ Autofokussystem wie ihre Vorgängerin, die A6300. Innerhalb von 0,05 Sekunden erfasst es jedes Motiv. Mit 425 Phasendetektionspunkten, die nahezu den gesamten Sensor abdecken, lässt die Kamera kein Motiv mehr „aus den Augen“. Keine Kamera mit Wechselobjektiven vereint derzeit so viele AF Punkte auf einem Sensor, lautet ein „Gruß aus der Sony-Küche“ in Richtung Mitbewerber.
Dank „High-Density Tracking“ verfolgt der kleine Riese jedes gewünschte Objekt präzise. Alle 425 AF Punkte stehen übrigens auch zur Verfügung, wenn A Mount Objektive (SSM und SAM) mit LA-EA3 Adapter genutzt werden. Wer mag, kann den Autofokus der Kamera auch direkt über den Touchscreen per Zeigefinger steuern. Mit elf Bildern pro Sekunde ist die Serienbildgeschwindigkeit bei kontinuierlicher Schärfenachführung durchaus konkurrenzfähig. Immerhin acht Bilder pro Sekunde schafft die Alpha 6500 im Live-View Modus. Im „Hi“ Modus bei kontinuierlichem Autofokus und auf JPEG eingestellt, kann sie 307 Bilder speichern.
Bokeh ist Trumpf bei G Master Optiken
Wenn man schon viel Geld in den Body investiert, darf man bei den Objektiven nicht knausern! Deshalb seien Zooms wie das FE 24-70 mm F2,8 GM oder das FE 70-200 mm F2,8 GM OSS an dieser Stelle besonders empfohlen, auch wenn die Preise von 2499 bzw. 2999 Euro spontan Herzrhythmus-Störungen auslösen können. Diese Linsen sind sozusagen „Sonys Finest“. Gehören zur G Master-Serie, die – nach Aussage von Produktplaner Akira Shiraishi – „den ultimativen Ausdruck von hoher Auflösung und Bokeh“ verfolgt. Da es in bezug auf die Bildsensor-Technologie „kontinuierlich weitergeht“, sei es eine logische Konsequenz, dass auch die Objektive verbessert würden. Ringförmige SSM-Motor-Systeme treiben die Linsengruppen und den Autofokus an.
An dieser Stelle erlaube ich mir ganz naiv ein wenig zu meckern. Was ich nicht gänzlich nachvollziehen kann, ist dieser Hype um Bokeh, bei dem sich alles um die Qualität des Unschärfebereiches dreht. Jeder Hobby-Knipser, der ein bisschen was von Fotografie allgemein und Kameratechnik insbesondere versteht, weiß, dass bei offener Blende mit lichtstarken Objektiven Aufnahmen mit reizvollem Hintergrund entstehen können. Als typisches Beispiel stelle man sich ein Portrait einer Dame wie das hier nebenan vor, aufgenommen mit meinetwegen 85-Millimeter Festbrennweite, Lichtstärke 1,8: Augen und Gesicht sind – pardon – „rattenscharf“, Details im Hintergrund nur zu erahnen bzw. nicht mehr zu erkennen. Scheibenförmige Lichtpunkte und Reflexionen setzen Akzente. Lichter der Großstadt oder Mutter Natur illuminieren farbenprächtig – Bokeh eben.
Es klappt auch mit normalem Equipment!
Seit Jahrzehnten ein nicht nur in Fachkreisen kontrovers diskutiertes Thema. Die Lager von Befürwortern und Gegnern sind in etwa gleich groß. Und jetzt mal ganz unter uns: wer auf Bokeh-Effekte Wert legt, muss nicht 2000 Euro für ein sicherlich hochwertiges Objektiv ausgeben! In Zeiten von Photoshop & Co. ist es bei der Nachbearbeitung von Fotos leicht möglich, ein wenig zu „zaubern“. Klappt auch mit ganz normalem Equipment. Motiv freistellen, aus den Weichzeichner-Filtern den „Gaußschen“ wählen und den Hintergrund nach Gusto verschwinden lassen.
Wenden wir uns ambitionierten Natur- oder Sportfotografen zu, die üblicherweise von einer Canon EOS 5D Mark IV oder einer Nikon D500 wenn nicht gar von deren „großen Schwestern“ Canon EOS-1 Mark V oder Nikon D5 träumen. Viele jener leidenschaftlichen Lichtbildner sind bestimmt schwach geworden, als sie während oder nach der IFA die ersten Bilder und Meldungen entdeckten, die die Sony Alpha 99 II zeigten und beschrieben. Preislich befindet sie sich mit circa 3600 Euro für den Body ungefähr auf Augenhöhe mit der Canon 5D und der Nikon D500. Ihr neu entwickeltes AF-System mit hybrider Phasendetektion stellt für Amateure und Profis jedoch eine besondere Versuchung dar. Insgesamt sorgen 79 Kreuzsensoren für perfekte Schärfe. Weil der teildurchlässige Spiegel auch bei Serienaufnahmen unbeweglich bleibt, kommt der Autofokus nicht aus dem Takt.
Zwölfe auf einen Streich
Schlechte Lichtverhältnisse sind für die ɑ 99 II kein Problem. Automatische Scharfstellung funktioniert selbst bei Dunkelheit – also noch bei EV-4 – einwandfrei. Damit die Bilddaten so schnell wie möglich den Weg zur Speicherkarte finden, verfügt die ɑ 99 II über einen neu entwickelten Front-End-LSI. Zwölf Bilder pro Sekunde bei kontinuierlichem Autofokus sind keine Hexerei, bei Live-View-Serienaufnahmen bis zu acht. Belichtung, Weißabgleich und andere Kameraeinstellungen werden in Echtzeit im Sucher angezeigt. Live-View-Serien lassen sich drei Stufen einstellen, um unterschiedlichen Motiven gerecht zu werden: acht Bilder, sechs Bilder oder vier Bilder pro Sekunde.
Der rückwärtig belichtete Exmor R CMOS Vollformatsensor mit einer Auflösung von 42,4 Megapixeln profitiert von einem lückenlosen On-Chip-Design. Das Ergebnis ist stets geringes Rauschen, großer Dynamikumfang und maximale Leistung über den gesamten ISO-Bereich hinweg (100 – 25.600, erweiterbar auf ISO 50 – 102.400). Auch für die A-Mount-Kameras hat man bei Sony eine neue integrierte Fünf-Achsen-Bildstabilisierung entwickelt, die bei der ɑ 99 II jetzt erstmals zum Einsatz kommt und bis zu 4,5 Blendenstufen bewältigt.
Feedback von Profis berücksichtigt
Das Design des Flaggschiffs hat man optmiert und dabei auf das Feedback von professionellen Benutzern vertraut. Die neue Kamera ist um acht Prozent kleiner als die Alpha 99 der ersten Generation. Sie verfügt über ein Gehäuse aus Magnesiumlegierung, zwei Steckplätze für SD-Karten und weitere Upgrades, die die Handhabung und Bedienung verbessern. Alle wichtigen Tasten und Drehräder sind abgedichtet, das Gehäuse staub- und feuchtigkeitsabweisend. Der XGA OLED Tru-finder, der elektronische Sucher halt, setzt sich aus einer Linsengruppe mit vier Elementen zusammen, zu denen ein doppelseitiges asphärisches Element zählt. Er bietet eine 0,78-fache Vergrößerung.
Eine Fluorbeschichtung verhindert, dass Fingerabdrücke, Staub, Wasser, Öl und Schmutz haften bleiben. Der geräuscharme Multi Controller wurde optimiert. Er ermöglicht nicht nur die zugewiesenen Einstellungen (Blende, Verschlusszeit, ISO, Belichtungskorrektur, AF-Bereich, AF-Modus), sondern ist jetzt mit einer EIN/AUS-Taste mit Klickstopp ausgerüstet. In der Position EIN – empfohlen für Fotos – klickt das Drehrad bei der Bedienung. In der Position AUS lässt es sich leise und flüssig bewegen. Das ist für Videoaufnahmen ideal. Dank Bluetooth-Verbindung können Standortdaten von mobilen Geräten abgerufen werden.
Slow and Quick durch Gammakurven
4K-Videoaufzeichnungen mit voller Pixelauslesung ohne Pixel-Binning für hochauflösende Videos im professionellen XAVC S Format und bis zu 100 Mbit/s machen die große Sony für Videografen und Kameraleute interessant. Der neue „Slow and Quick“-Modus (S&Q) unterstützt sowohl Zeitlupen- als auch Zeitraffereffekte. Dabei kann zwischen Bildraten von einem bis zu 120 Bildern pro Sekunde in acht Schritten gewählt werden. Das Resultat sind entweder bis zu 60-fache Zeitraffer oder eine fünffache Zeitlupenaufnahme. Auch eine Reihe von Funktionen für professionelle Videos sind an Bord. Neben Bildprofilen, Zeitcode und HDMI Clear-Ausgang gibt es nun Gamma Assist für die S-Log-Überwachung in Echtzeit und einen Zebramodus für einfachere Belichtungseinstellungen. Die S-Log3- und S-Log2-Gammakurven ermöglichen Aufnahmen mit einem großen Dynamikbereich ohne überbelichtete Highlights oder unterbelichtete Schattenbereiche.