Heute ist der fünfte Tag und die Helden sind müde. Unser Vereinsheim, Headquarter des Moped-Clubs „The Lost Boys“, becirct den unbedarften Besucher mit dem Charme einer Müllhalde. Die Verwandlung der Behausung in ein multifunktionales Heimkino schreitet nur langsam voran, obwohl wir Urlaub genommen haben, jeden Tag schuften wie Sklaven im alten Ägypten und eigentlich genau wissen, was wir wollen.
Nur mit dem Umsetzen von Ideen und Plänen hapert es. Die Zahl der Verletzten steigt kontinuierlich. Es fing damit an, dass wir den alten Linoleum-Boden entfernen mussten. Als normal Sterblicher, der seine Brötchen nicht mit körperlicher Arbeit verdient, macht man sich keine Vorstellungen, wie stark die Verbindung unterschiedlichster Materialien wie Linoleum und Stein sein kann. Marmor, Stein und Eisen bricht, Linoleum reißt um´s Verrecken nicht! Entschuldigung.
Günni´s Kampf mit dem Linoleum
Wir rückten dem Feind mit scharfen Messern zu Leibe. Wir kratzten, furchten, hebelten, rissen, zogen und schabten und kamen nur im Zeitlupentempo voran. Günni wähnte sich glücklich, als er ein ziemlich großes Stück Belag vom Boden trennen konnte und mit der Kraft eines sibirischen Bären daran zog. Während sein Kopf Ähnlichkeiten mit einem kochenden Wasserkessel aufwies und er siegessicher ächzend und stöhnend weiterkämpfte, geschah das Unglück.
Blitzartig gab das hinterfotzige Zeug nach, der arme Günni wurde durch seine eigene Anstrengung rückwärts enorm beschleunigt, ließ vor Schreck los, überschlug sich mit vorzüglicher Haltungsnote und kugelte schreiend bis in die letzte Ecke des großen Raums, wo er winselnd und jammernd liegen blieb. Sein Lieblingsfeind Leo, der, wie wir wissen, immer von seinem Klappstuhl kippt, nutzte die Gunst der Stunde für einen blöden Spruch: „Siehste mal, jetzt, wie dem ist, wenn einer hinfallen tut wo nix für kann, du Heini!“
Leo – ein Kugelblitz auf der Flucht
Günni verbiss sich jedweden Schmerz, sprang auf die Beine und ging auf den großmäuligen, schadenfrohen Kritiker los. Der hatte längst Lunte gerochen und rannte ins Freie. Wir konnten vom Fenster aus die wilde Verfolgungsjagd beobachten und entwickelten Respekt vor Leo. Niemals hätten wir es für möglich gehalten, dass ein kleiner, kugelrunder Mensch mit äußerst kurzen Beinchen dermaßen schnell fetzen kann!
Günni, der lange, spindeldürre Lulatsch glich vom Lauf-Stil her einem Faultier auf Ecstasy. Irgendwann waren die beiden außer Sichtweite und wir warteten und hofften, dass sie wie immer – mit blauen Flecken übersät – friedlich eintrudelten, was bei Einbruch der Dämmerung tatsächlich geschah. Wir tranken noch ein Feierabend-Bierchen, dann rollten wir unsere Schlafsäcke aus und fürchteten uns vor den ungewohnten Herausforderungen des nächsten Tages.
Unser Schreiner Erich baute zusammen mit Manni und Schorsch ein etwa 120 Zentimeter hohes Podest am Kopfende des „Saales“, worauf die beiden Hauptlautsprecher und der Center platziert werden sollen. Beim Kauf der 270 Zentimeter breiten Leinwand, die direkt vor der Lautsprecher-Front installiert wird, hatten wir uns für akustisch transparenten Stoff entschieden.
Geschicktes Vorgehen eliminiert Diffusschall
Giovanni, unser tief katholischer, etwas wundergläubiger Kumpel italienischer Provenienz, ist sich immer noch nicht ganz sicher, ob das böser Zauber oder Teufelswerk ist. Er betrachtet die „EZ Frame Akustik Rahmenleinwand“ sehr skeptisch und hält Sicherheitsabstand. Im Sockel des Lautsprecher-Podests werden der oder die Subwoofer installiert – wir müssen diesbezüglich noch eine Versammlung mit anschließender Abstimmung einberufen.
Wer sich ein bisschen mit Raumakustik beschäftigt weiß, dass glatte Wände und Decken Diffusschall erzeugen. Schall wird oberhalb von 200 Hz ähnlich abgestrahlt wie Licht aus einer Taschenlampe. Beschreibungen auf der Teufel-Homepage zufolge kann man sich das so vorstellen, als ob ganz viele Luftteilchen aus der Membran heraus in Kegelform nach vorne wegfliegen. Im Idealfall erreichen sie direkt das Ohr des Zuhörers. Werden sie vorher reflektiert, wird der Klangeindruck matschig und hallig.
Wir haben beschlossen, die sowieso nicht sehr ansehnliche Decke unserer Hütte mit Akustik-Schaumstoff zu verkleiden und an den Wänden raumhohe Stoffbahnen, die auf einem Gerüst aus Holzlatten montiert sind, anzubringen. Alles Arbeiten, die Blut, Schweiß und Tränen kosten.
Einseitige Ernährung und mangelnde Hygiene schweißen zusammen
Mal plumpst ein Kamerad, der mit dem Anbringen des Schaumstoffs beschäftigt ist, von der Staffelei, mal latscht ein Hans-guck-in-die-Luft, der den Fortschritt des Projektes kritisch begutachtet, in einen Werkzeugkasten, immer wieder ertönen Schmerzensschreie, denn das Hantieren mit Hammer, Nägeln und Schrauben will gelernt sein. Wie bei Matrosen auf hoher See machen sich auch bei uns Entzugserscheinungen breit.
Unsere Ernährung ist, seitdem wir Weib und Kinder verlassen haben, recht einseitig und ungesund. Es gibt entweder Weißwürste, Leberkäse, Burger, Döner oder Pizza. Und außer löslichem Kaffee am Morgen nur Bier, Weißbier, Wodka und Jack Daniels. Die Stimmung ist irgendwie locker, Schmerzen nach „Arbeitsunfällen“ werden nicht in vollem Umfang wahrgenommen.
Die körperliche Hygiene leidet, weil uns nur ein Handwaschbecken im Klo zur Verfügung steht. Dass wir seit jetzt fünf Tagen in den gleichen Klamotten stecken, ist dem Klima auf der Baustelle nicht zuträglich. Doch werden wir nicht weichen und nicht wanken! Wir haben es nur gut gemeint! Die Entbehrungen, die wir in Kauf nehmen, um in naher Zukunft auch unseren „besseren Hälften“ sowie den lieben Kindlein Freude und Vergnügen zu bereiten, akzeptieren wir hin wie echte Männer. Der Moped-Club „The Lost Boys“ wird sich wie Phoenix, der Feuervogel, aus der Asche erheben, wenn wir fertig sind!