Vor kurzem fand der Record Store Day statt. Mit exklusiven Limited Editions und Künstler-Gigs beteiligten sich etwa 2000 unabhängige Plattenläden weltweit an dieser Aktion. Große Ketten und Online-Händler waren ausgeschlossen. Im Mittelpunkt stand – wie könnte es anders sein -, die Vinylplatte, deren Popularität seit einigen Jahren wieder stark zugenommen hat.

Kommen jetzt andere Zeiten auf uns zu? Im vergangenen Jahr wurden erstmals seit 2006 wieder leicht rückläufige Tendenzen gemeldet. Zwar lagen die Absatzzahlen 2018 immer noch bei mehr als drei Millionen Exemplaren – im Vergleich zu 2017 waren das aber schon etwa 200.000 Stück weniger, wie die obenstehende Grafik von Statista zeigt.

Eine vorläufige Marktsättigung?

Möglich wäre es, dass der Boom zum Vinyl nur temporär rückläufig ist, weil so etwas wie eine vorläufige Marktsättigung eingetreten ist. Viele „Umsteiger“ haben sich ihre persönlichen Schallplatten-Wünsche erfüllt. Da sich die Statistik nur auf Verkäufe neu gepresster schwarzer Scheiben bezieht, bleiben zigtausende Gebraucht-LPs – erworben in kleinen Läden und bei Schallplatten-Börsen – unberücksichtigt.

Plattenspieler sind längst keine „Scheibendreher“ mehr

Die immer noch große Nachfrage nach Plattenspielern, die in mannigfachen Ausstattungen und Ausführungen wie nie zuvor hergestellt werden, bestätigt konstantes Interesse des Verbrauchers. Moderne Turntables können ja längst viel mehr als nur Scheiben drehen! Sie lassen sich in das Heimnetzwerk integrieren und fungieren als Netzwerkplayer, im Trend sind zurzeit Modelle, die über einen USB-Ausgang zur Digitalisierung verfügen.

Hund beißt sich in den Schwanz

Damit beißt sich der Hund sozusagen in den Schwanz. Was bewegt Leute, die vom unvergleichlich räumlichen und luftigen Klang der Schallplatte schwärmen dazu, sie auf einen banalen USB-Stick oder auf eine Festplatte zu bannen? Ja – freilich! Man will ja schließlich auch mal im Auto oder via Smartphone seiner auserwählten Lieblingsmusik lauschen, oder?

Und außerdem ist das Handling digitaler Konserven unkomplizierter und entspannter als eine LP in die Hand zu nehmen, die Innenhülle herauszufischen, den in edlem Schwarz glänzenden Tonträger auf den Fingerspitzen zu balancieren, die Staubabdeckung des Plattenspielers zu lupfen und die Scheibe mit chirurgischer Präzision auf dem Plattenteller zu platzieren, um dann den ölgedämpften Plattenlift zu betätigen, die Nadel des Tonabnehmers punktgenau über die erste Rille zu führen und den Lift danach wieder abzusenken und andächtig zu lauschen, bis nach gut einer halben Stunde die Zeit gekommen ist, die Prozedur teilweise zu wiederholen, weil das Anhören der B-Seite auf dem To-Do-Katalog steht.

Fundamentalisten haben recht!

Gerade dieses „Ritual“ sei aber der Reiz, den das „Schallplatteln“ ausmache, behaupten Vinyl-Fundamentalisten. Ich gebe ihnen Recht und stimme gutmütig zu – ich fordere sogar dazu auf, nicht immer nur auf den Kosten-/Nutzen-Effekt und absolute Bequemlichkeit zu pochen. Plattenspieler können unscheinbare, nüchterne Abspiel-Vorrichtungen sein, aber auch Meisterwerke der Feinmechanik, glänzend wie Excalibur in auf Hochglanz polierten Edelmetall, schwer wie fette Kühlschränke – regelrechte Kunstobjekte, die das wohnliche Ambiente vornehm aufwerten.

Der Plattenspieler als Visitenkarte seines Besitzers – so kann man das auch mal sehen! Dagegen stinkt ein handelsüblicher Netzwerk-Player, der eine dezente Soundbar befeuert, ganz schön ab!

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