„Der Fortschritt geschieht heute so schnell, dass, während jemand eine Sache für gänzlich undurchführbar erklärt, er von einem anderen unterbrochen wird, der sie schon realisiert hat“. Erkannte Albert Einstein vor langer, langer Zeit.

Was Meister P. auf Facebook absonderte, zeugt hingegen von sehr wenig Weitblick und viel mehr verzweifelter Ignoranz. Selbstgefällige Behauptungen (ein perfekt aufgestelltes 5.x od von mir aus 7.x ziehe ich ein Atmos/Auro Setup vor! Und die Aussage mehr Hdmi umso Hochwertiger das gerät?), bruchstückhafte Andeutungen (eine Vor/Endstufe is hochwertig), geballtes Unwissen (mehr Watt besserer Klang? Dann ab zum media Markt und ein Lg 5.1 Soundsystem holen mit 1600watt) – garniert mit jeder Menge weinenden Emojis, um diesem schwafelnden Stümper Udo Metterlein von Ultra HDTV seine Ahnungslosikgeit drastisch vor Augen zu führen und gleichzeitig von der eigenen leicht ausgeprägten Legasthenie abzulenken.

Wirkt jung, frech und rebellisch, kann man „liken“ – ich finde es lächerlich. P. tut mir beinahe leid. Oder lieber doch nicht. Vor allem nicht, weil es um kollektive Schuldzuweisungen in schwer verständlichen Satz-Fragmenten geht und nicht nur einer einzelnen Person, sondern dem Team von Ultra HDTV mangelnde Kompetenz unterstellt wird. Ich bin kein Jurist. Aber hier müsste nach meinem Bauchgefühl der  Notwehrparagraph § 32 StGB greifen.

Kryptische Bezeichnungen

Fangen wir mit den kryptischen Bezeichnungen 5.x und 7.x an, womit P. sicher 5.1 bzw. 7.1 Lautsprechersysteme meint. Und ja, ich weiß, dass es auch 5.2 oder 7.2 heißen kann, wenn man statt einem zwei Subwoofer installiert. „Perfekt aufgestellt“ (?) sollen sie Dolby-Atmos oder Auro 3D mindestens ebenbürtig sein? Jein, also selbst nur ein Hauch von Zustimmung, könnte als versöhnliche Antwort keine Alternative sein – da muss ein Nein her. Und zwar ein deutliches. Denn Immersives Audio (Surround-Sound mit zusätzlicher Höhenebene) bedeutet viel viel mehr, als auf bisherige Sets zwei oder mehr Lautsprecher „draufzupacken“.

Die Soundbühne im Heimkino gewinnt durch Dolby-Atmos, DTS:X oder auch das nicht so bekannte Auro 3D diskret an Höhe und gibt Raum-Objekten eine Chance, sich Facebook-Kritikdreidimensional zu entfalten. So könnte man zusammenfassend erklären, was sich in den letzten Jahren entwickelt hat und vor allem auch Quantensprüngen in der Technik von Tonstudios zu verdanken ist, in denen der 3D-Sound von einer ganz neuen Generation von Ingenieuren nach ganz neuen Kriterien abgemischt wird. Als Stereo den Mono-Klang ablöste, jubelten Musikliebhaber, weil der Mensch bekanntlich zwei Ohren hat. Jetzt, wo es sich um perfekte akustische räumliche Darstellung dreht, werden ungelogen Unkenrufe von Einfaltspinseln laut, die nichts als „Abzocke“ vermuten, da dem Homo sapiens ja schließlich ein drittes Ohr möglichst oben in der Mitte des Schädels fehlt.

Als der Tonfilm in den 1920er Jahren langsam den Weg ins Kino fand, echauffierten sich Kritiker, die ein Ende der Kunst der Pantomime fürchteten. Als Schwarzweiß durch Farbe abgelöst wurde hieß es, der Zauber des Kinos sei nun endgültig dahin. „Zu realistisch“. Wie hätte Freund P. wohl argumentiert?

Stärke der Endstufen definiert den Preis

„Eine Vor/Endstufe is hochwertig“  hat er getippt. Ja klar. Ein Schnellkochtopf auch. Wahrscheinlich will der Emoji-Mann andeuten, dass er so ein Teil – also eine Vor-/Endstufe – sein eigen nennt. Dolby-Atmos, DTS:X oder Auro wird sie wahrscheinlich nicht „können“; eventuell auch keine, nur eine oder höchstens zwei HDMI-Buchsen aufweisen. Trotzdem kann es sich selbstverständlich um ein tolles Gerät handeln, das seinem Besitzer viel Freude bereitet und das er nicht, wie von mir frevlerisch geschrieben, als „alte Kiste“ bezeichnet wissen will. Was eventuell P´s Zorn auf den Heini (also mich) schürt, der auch noch behauptet, dass „mehr Watt besserer Klang“ bedeuten soll. HABE ICH ABER GAR NICHT BEHAUPTET. Sondern nur berichtet, dass sich die Preise von AV-Receivern aus gutem Hause über die Stärke ihrer Endstufen definieren.

Wo steht „besserer Klang“, Mann? Und aufpassen: Watt ist nicht Watt! What? Nicht nur in der „Wikipedia“ ist nachzulesen, dass seriöse Leistungsangaben für Lautsprecher und Verstärker nicht auf der Musikleistung, sondern auf der Nennleistung basieren. Die Bezeichnung RMS-Leistung hat sich durchgesetzt. Bei der Angabe der Musikleistung wird ein kurzzeitig erreichbarer Maximalpegel pro Kanal angegeben, der ein Maß für die höchstmögliche Aussteuerbarkeit bei Lautstärkespitzen eines Musiksignales ist, bei der das Signal gerade noch ohne Clipping (so eine Art Herzinfarkt des Verstärkers, der mit einer Beschädigung von Lautsprecher-Boxen einhergehen kann) verarbeitet wird.

Konstruktiv wird die Musikleistung von Verstärkern im Allgemeinen durch die Auslegung des Netzteils, insbesondere der Netzteilkondensatoren bestimmt, welche die Energie für kurzzeitige Stromspitzen (Bass-Rhythmen) zur Verfügung stellen müssen. Eine geringe Differenz zwischen der Nennleistung (Dauerleistung) und der Musikleistung stellt ein Gütemerkmal dar.

Für Geräte im preiswerteren Segment wird zur Bewerbung oft der nicht klar definierte Zusatz P.M.P.O. (Peak Music Power Output, scherzhaft auch pure merde pour les oreilles (frz. reine Scheiße für die Ohren) oder Pure Mystic Power Output verwendet. Dieser ermöglicht – wettbewerbsrechtlich seltsamerweise abgesichert – die Angabe von Leistungswerten, die die Nennleistung eines Gerätes um mehrere Größenordnungen überschreiten können. Bei Angabe der PMPO wird nicht gemessen, es gibt ja nicht einmal anerkannte Definitionen und Verfahren. Manchmal wird diejenige theoretische elektrische Leistung angegeben, die als Summe aller Kanäle gerade ohne Zerstörung der gemessenen Komponenten während eines Bruchteils einer Schallschwingung abgegeben werden könnte. Da würden die von P. erwähnten 1600 Watt durchaus hinkommen. Zur Beurteilung der Qualität von Leistung und Signalverarbeitung in Geräten ist diese Angabe allerdings denkbar ungeeignet.

Hollywood ist nicht allein

Motivation zur Angabe von PMPO-Daten ist eine marketing-technisch „geschickte Verrechnung“ von Werten unter optimalen Annahmen, wie Kurzzeitimpuls, Schätzung des theoretischen Maximalwerts, bei Mehrkanalsystemen Addition sämtlicher Kanäle usw. Sie wird für die Ausgangsleistung eines Verstärkers und bei Eingaben zur Eingangsleistung von Lautsprechern verwendet. Stellt euch einen Autohersteller vor, der behauptet, einen Wagen bauen zu können, der sich nach dem Erreichen der Höchstgeschwindigkeit selbst überholt, dann ahnt ihr, was gemeint ist.

„UHD ohne Sender Tv nicht kalibriert das nächste Problem…da kann Atmos noch lange warten!“ Welche Missstände wollte P. damit wohl anprangern? Was ging ihm durch den Kopf? Weinende Emojis helfen mir zunächst nicht weiter. Ach so: vielleicht meint er, dass das Angebot an Dolby Atmos-Filmen noch dürftig ist? Potztausend! Da hat er recht! Aber um jetzt mal in seinen Worten zu sprechen: Ey! Vor/Endstufe is auch nich lang her oder 5.x und 7.x, watt?

Obwohl Hollywood schon fleißig Material raushaut, sind wir nicht allein auf die Traumfabrik angewiesen. Netflix und Amazon haben das Potential ebenso erkannt und produzieren selbst Serien und Filme, die viele Fans finden werden. Gehen wir noch einen Schritt weiter und träumen von der nächsten Fußball-WM in Dolby-Atmos. Durchaus möglich, dass der Papi wie von der Tarantel gestochen von der Couch springt, um das  vermeintlich aus der Tiefe des Raums hernieder sausende Leder per Kopfball zu verwandeln. Es wird ihm nicht gelingen, seine Sinne werden ihn getäuscht haben. Aber er war mittendrin, statt nur dabei!

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