„Dolby Atmos ist die nächste Abzocke“. So oder ähnlich hatte es ein kluger Ultra HDTV.net-Leser schon vor Monaten in einem Kommentar prophezeit. Damals, als gerade die ersten AV-Receiver mit dem revolutionären, immersiven Raumklang-Programm an Bord auf den Markt kamen, dachte ich mir so was Ähnliches wie „typischer Pessimist“ oder so.

Auf das Allerschärfste möchte ich mich hier und heute bei dem weisen Hellseher entschuldigen! Denn er hat recht behalten. Formulieren wir es krasser: der Verbraucher ist wieder mal der Depp. Schafft sich neue Verstärker, Boxen oder Soundbars an und ist aus diesem Behufe gezwungen, viel Geld nicht nur in die Hand zu nehmen, sondern auch auszugeben und kann dann warten, bis er schwarz wird!

Falsches Vertrauen rächt sich nach dem Kauf

Gestern hüpfte ich der Briefträgerin vor Begeisterung jubelnd entgegen und hätte sie am liebsten umarmt. Ich konnte mich gerade noch zurückhalten. Erstens hätte es befremdlich auf die Nachbarn gewirkt, zweitens entspricht es nicht meinem Umgangsformen mit weiblichen Amtspersonen, aber drittens hätte es keinerlei juristische Nachwirkungen gehabt, weil unsere Christel von der Post alle meine Macken schon gut kennt.

Ich hatte es ja auch nicht auf sie persönlich, sondern auf das Päckchen abgesehen, das sie mir brachte. Darin befanden sich die 3D-Blu-rays „Independence Day 2“ und „Star Wars – Das Erwachen der Macht“. Neue Filme, hergestellt mit höchstem technischen Aufwand – ich wäre nie im Leben auf die Idee gekommen, dass etwas faul sein könnte.

Also rein in den Player, möge die Macht mit mir sein! Der dicke Onkyo erwacht zum Leben und macht seinen elf Endstufen Dampf, dann blendet er „DTS-HD 5.1“ ein. Ich muss ihn ein bisschen schimpfen. „Dummerchen! Dolby-Atmos ist angesagt“.

Die Illusion vom immersiven Klang-Erlebnis

Die Kiste stellt sich blöd. Ich gehe ins Menü, finde aber keine Alternative als „DTS HD HR 7.1“. Die amerikan ische Originalspur halt. Polnisch Dolby Digital 5.1 mag ich nicht, obwohl sich das wohl am verblüffensten angehört hätte.

„Zmrsk Kommunisti Dark Vadersky? Verschwindski, sofortskaja!“… Oder irgendwie so. Sollen mir die Jedi-Ritter gefälligst den Buckel runter rutschen – schau ich eben Emmerichs außerirdischen Pennern beim zweiten Versuch zu, uns alle zu knechten, einen Planeten so richtig fertig zu machen und auszuplündern. Irgendwie muss ich in diesem Zusammenhang an Klima-Abkommen und geplante Missionen zum Mars denken – aber das ist sicher reiner Zufall.

Kein Zufall kann sein, dass wieder nirgends eine Dolby-Atmos Tonspur aufzufinden ist. Ich werde grantig. Das heißt, dass sich meine Stimmung rapid verändert und von ausgeprägter Euphorie in brennenden Zorn abgleitet. Und zwar ruckzuck!

Enttäuschende Recherche im Video-Regal

In der Phase des Übergangs wird mein Sprachzentrum aufgrund von einer Art Synapsen-Fasching in der Birne geringfügig beeinträchtigt. Ich rede dann immer daher wie der Ex-Bayern-Trainer Giovanni Trappatoni und brülle meine völlig unschuldige Gattin an: „Was erlauben Emmerich? Ist klar diese Wörter? Ist möglich verstehen, was ich hab‘ gesagt? Danke. Ich habe fertig!“

Die beste aller Ehefrauen, die mir tröstend die Hand auf die Stirn legt, während sie mir den Bludruck misst, rät dringend, mit dem Verfassen eines Briefes „gegen tutto kompletti alle Verbrecher in diese Hollywood-Filmfabrik“ noch zu warten, aber das fällt mir schwer, denn jetzt habe ich Blut geleckt.

Ich reiße mich los, bin mit einem einzigen Sprung am Videoregal und krame die letzte Staffel von „Game of Thrones“ raus. Nüscht. „Im Herzen der See“? Denkste. Das darf doch nicht wahr sein. Beim Wüten in der Sammlung fällt mir die „Limited Extended Collectors Edition“ der „Blues Brothers“ auf den Fuß. Und ausgerechnet auf deren Rückseite finde ich „Dolby Atmos“ als Tonformat. Und zwar auf Deutsch!

Ultra-HD-Blu-rays stellen keine Ausnahme dar

Mir fällt nichts mehr ein. Bei einem Film, den John Landis anno 1980 in die Kinos brachte, ist es möglich, den Sound tauglich für neueste Wiedergabe-Formate zu machen. Und auch auf der 5. Staffel „Game of Thrones“ setzt Dolby-Atmos in Englisch neue Maßstäbe, während es auf der Neuesten komplett fehlt. „Terminator Genisys“ kam 2015 als Blu-Ray, im Originalton hört man die von Arnie angerichteten Verwüstungen wirklich dreidimensional.

Wer jetzt als anständiger, gesetzestreuer Bürger mal alle seine minimal vorhandenen kriminellen Energien bündelt und bösartig wie nie zuvor im Leben unterstellt, dass die Disc-Fabrikanten wahrscheinlich das neue Ultra-HD-Blu-ray-Format „pushen“ wollen und nur diese Scheiben serienmäßig inclusive Dolby-Atmos ausliefern, ist immer noch viel zu gut für diese Welt. Immersiver Sound ist auf den viel zu teuren Silberlingen nämlich ebenfalls die ganz große Ausnahme.

Ich beginne zu ahnen, wie es laufen wird und bin ja selbst schon oft genug Opfer solcher Strategien geworden. Zuerst fiebert man dem Erscheinen der Blu-ray entgegen – wenn man Glück hat, kommt sie gleichzeitig mit der 3D-Blu-ray. Wenn nicht (wie bei Star Wars – Das Erwachen der Macht) ist man happy, sich endlich den Lucasfilm-Hit für die heimische Sammlung zu gönnen.

Die dunkle Seite der Macht wirkt anziehend

Drei oder vier Wochen später wird angekündigt, dass – Überraschung! – die 3D-Version mit allen Schikanen in ein paar Monaten erhältlich ist. Legt man sich als Fan natürlich ebenso zu. Für die beigelegte normale Blu-ray, die man ja sowieso schon hat, soll man dankbar sein.

Jetzt lassen wir noch ein wenig Zeit vergehen, dann wird das ultimative „Geschenk“ für die Krieg der Sterne-Fans seine Schatten voraus werfen: 3D + 2D + Bonus Blu-ray, Tonspur: Dolby-Atmos. Wenn wir Glück haben, sogar in deutscher Sprache. Und da soll man sich hüten, von der dunklen Seite der Macht angezogen zu werden!

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