Beim täglichen Blick auf den 4K-Flatscreen mit HDR-Unterstützung ist es ganz vielen Leuten bestimmt schon ganz oft aufgefallen, aber nur ganz wenige trauen sich zugeben, dass sie sich ganz furchtbar davor fürchten, dies ganz offen auszusprechen: „Wir brauchen bessere Pixel“.
Golem.de, die Internetseite mit IT-News für Profis, sprang in die Bresche und übertitelte einen aufwieglerischen Artikel mit genau diesen Worten: „Wir brauchen bessere Pixel“. Ich hoffe, die Autoren Simon Fuchs und Niklas Landerer erfreuen sich bester Gesundheit und werden nur ganz selten von sanften, leicht behandelbaren Visionen geplagt. Sie geben am Ende eines hervorragend recherchierten Berichtes ja auch fast resignierend zu, lediglich versucht zu haben, „ein wenig Ordnung ins Chaos zu bringen“.
Wie lange soll es noch „noch heller“ werden?
Verursacht durch das immer noch wild grassierende HDR-Virus, das – wie der Teufel – viele Namen hat: HDR10, Dolby Vision, HDR Pro, trueHDR, Ultra-HD Premium, 4K HDR oder HDR perfect (das habe ich jetzt vom Golem-Artikel abgeschrieben). Die Gretchenfrage allerdings ist auf meinem Mist gewachsen: Muss das sein oder ist das alles das selbe?
Ich habe ganz tief in mich hineingehorcht, lange sinniert und geduldig abgewartet, bis folgende Erkenntnis in mir reifte, vor deren Verkündigung jetzt und hier in diesem unserem blühenden Lande ich hiermit um höchste Aufmerksamkeit bitte: es geht um NOCH kontrastreichere Helligkeitsdarstellung.
Sollte es Ihnen ob der gigantischen Wucht dieser Aussage jetzt schwindelig geworden sein, rate ich Ihnen, sich zu setzen, den obersten Kragenknopf zu öffnen (gilt nicht für T-Shirt-Träger) und ein Glas Wasser zu trinken. Geht´s wieder? O.K. „Fiat lux“, es werde Licht, heißt es schon in der Schöpfungsgeschichte, die – das verneine ich keinesfalls – mit hochauflösenden Medien nicht viel am Hut hat.
Mit der Sonnenbrille vor dem Flatscreen
Und es wurde ja auch „licht“, was ein Synonym für Helligkeit ist und sowohl für die Umwelt, als auch für Flatscreens in Wohnzimmern gilt. Manchmal strahlt die irdische Öko-Beleuchtungs-Anlage (ein von mir soeben erfundener Fachausdruck für den Planeten Sonne) so verdammt hell, dass man gezwungen ist, die Augen zusammenzukneifen, weil es förmlich weh tut. Sowohl die ersten Urmenschen, die infolge direkter Blendung arg lamentierend vom Baum plumpsten, als auch der moderne Homo sapiens, der am Steuer seines Automobils von der tiefstehenden Sonne kalt erwischt wird, kennen die unangenehme Seite „kontrastreichster Helligkeitsdarstellung“, die man – verpackt in Ultra-HD-HDR-TVs kommender Generationen – in die Wohnzimmer und Heimkinos der Film- und Fernsehfans transportieren will.
Ob das Spaß macht? Oder eher nervt? Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich begeistert wäre, wenn ich beim Fernsehen alle fünf Minuten zur Sonnenbrille greifen müsste, weil der Regisseur mal wieder direktes Gegenlicht einfangen ließ, um Atmosphäre zu schaffen oder Kamera-Leute, die Reise-Reportagen drehen, extrem ausgeleuchtete Sehenswürdigkeiten zur Mittagszeit filmen, um die großartige Qualität von 4-, 6-, oder 8-K-Kameras unter Beweis zu stellen.
Die blaue Stunde ist am natürlichsten künstlich
Ein altes Sprichwort lautet „zwischen elf und drei hat der Fotograf frei“. Warum? Weil da das Licht am steilsten und fast kein Schatten vorhanden ist. Farben wirken hart oder ausgebleicht, es fehlt einfach der Zauber der „blauen Stunde“, die Lichtbildner, Kamera-Leute, Videografen und Romantiker so schätzen.
Ich zitiere aus der „Wikipedia“: Der Begriff blaue Stunde bezieht sich auf die besondere Färbung des Himmels während der Zeit der Dämmerung nach Sonnenuntergang und vor Eintritt der nächtlichen Dunkelheit. (…) Dieselbe Färbung ist auch während der Morgendämmerung zu sehen, allerdings wird der Begriff in diesem Zusammenhang seltener verwendet. Das Blau des Himmels hat eine andere spektrale Zusammensetzung, da es auf eine andere physikalische Ursache als bei Tag zurückzuführen ist. Während der blauen Stunde besitzt dieser tiefblaue Himmel etwa dieselbe Helligkeit wie das künstliche Licht von Gebäude- und Straßenbeleuchtungen.
Na bitte! Wenn das natürliche Licht dem Künstlichen am meisten ähnelt, knipst und filmt es sich am famosesten! Indem Kontraste zwischen Hell und Dunkel abgemildert und nicht etwa „krass“ sind, weisen die Aufnahmen eine besondere Stimmung auf. Wieso ist es dann erklärtes Ziel aller TV-Hersteller, ausgerechnet einer Technik Vorschub zu leisten, die sozusagen konträr wirkt?
Candela, Nits und bitte mehr Bits
Die Golem-Autoren räumen ein, dass es für den Verbraucher bereits jetzt besonders kompliziert ist, einen HDR-TV mit bestmöglicher Bildqualität zu erwerben. „Käufer von Dolby-Vision oder UHD-Premium-zertifizierten Geräten machen zumindest in Bezug auf HDR nichts falsch“, heißt es wenig trostreich. Wer nicht so viel Geld ausgeben möchte, müsse sehr genau aufpassen, ob das Gerät seiner Wahl echte HDR-Unterstützung biete oder nur die entsprechenden Formate kenne.
„Wird sich schon irgendwann einrenken“. Wer hat das gesagt? Ruhe, und zwar sofort! Absoluter Humbug! Denn um HDR-Material höchster Güte darzustellen, werden für zukünftige Displays höhere Leuchtdichten von 500 bis zu mehreren Tausend Candela (Einheit zur Berechnung der Leuchtdichte, hieß früher Nit) benötigt. Zur Erinnerung: der bisherige TV-Farbstandard schreibt 100 Candela Helligkeit vor. Gängig ist die Farbtiefe von 8 Bit, was 256 Helligkeitsabstufungen pro Farbkanal bedeutet. Mehr Kontrast erfordert mehr Farbtiefe – zehn oder zwölf Bit pro Kanal – sonst treten Streifen im Bild auf. (Kleine Anmerkung für Schluckspechte: im richtigen Leben hat man nach zehn oder zwölf Bit den Kanal voll. Prost!)
Zurück auf die Bäume als Alternative
Es bleibt alles beim Alten – wir fangen mal wieder von vorne an. Gewöhnen uns langsam daran, unsere TVs alle zwei Jahre zu entsorgen und glauben einfach blind an das ganze Marketing-Gequatsche, das Zukunftssicherheit, Unerreichbarkeit und nicht zu übertreffende Standards vorgaukelt. Einen neuen Formatkrieg, etwa zwischen Dolby-Vision und HDR10, wird es nicht geben. Sagen alle. Wahrscheinlich sogar Kim Jong Un und Donald Trump. Na ja. Die Zeit ist halt auch noch nicht reif. Und überhaupt jammern wir schon wieder wie kleine Mädchen. Es geht uns doch gut, oder? Solange uns nur derartige Luxus-Sorgen auf die Palme bringen, dürfen wir uns überhaupt nicht beschweren. Make Germany strong again!
Besinnen wir uns auf die guten alten Zeiten und kehren kollektiv zurück zu unseren Wurzeln! Lasst uns nach alter Affen Sitte nach Herzenslust auf Bäume kraxeln, geblendet abwärts purzeln und kuschelige dunkle Höhlen aufsuchen, in denen Sklavinnen, die wir in Elektromärkten fingen und raubten, erotisch für uns tanzen oder Schattenspiele vorführen, derweil uns Mutti auf augenfreundlich glimmendem Grillfeuer die Kuh brät, die wir gestern geschält haben. Falls ein hoch aufgelöster Fachhändler Einlass begehrt, um uns neueste Technik anzudrehen, essen wir ihn gleich mit. Mahlzeit!