Wisst ihr noch, wie man gaaanz früher Musik gemacht hat? Eine herzerwärmende Geschichte. Früh am Morgen schlüpfte der Papi schnell in sein Arbeitsfell, schulterte die Keule und streifte mit seinen zerzausten Kumpels aus den Nachbar-Höhlen durch die Gegend, um zu jagen, was immer da kreuchte, fleuchte und irgendwie essbar aussah.

Abends, nachdem Mutti mit ihren Freundinnen das Mammut gegrillt und auf Pfifferlingen serviert hatte, als die Tischgesellschaft zufrieden rülpsend und in den Zähnen bohrend auf dem Boden hockte, gelangweilt gähnte und rein gar nichts mehr mit sich anzufangen wusste, begann Papi als Chef der Horde wissenschaftlich zu arbeiten. Eine Art Motivationstraining bildete er sich ein.

Durch den Schädel zur Musik

Ganz genau untersuchte er den gewaltigen abgeknabberten Schädel des Mammuts, klopfte darauf mit den Fingerknöcheln herum und spurtete plötzlich los, um zwei lange, sauber abgenagte Knochen zu suchen. Kurz vor dem sich bereits akustisch ankündigen Dauerschnarchen sämtlicher Damen und Herren kehrte er zurück und hieb mit zwei kräftigen Rippen aus Leibeskräften auf die Schädelplatte des abendlichen Snacks ein.

Es machte „bumm“, „bumm“ und zwei Mal kurz hintereinander „bumm“, da begannen die schläfrigen Gefährten bereits rhythmisch zu zucken und zu zappeln, grunzten in perfekter Harmonie und wälzten sich vor Vergnügen auf dem kahlen Fels – die Musik war erfunden! Jedenfalls so ungefähr.

Kleiner Sprung über Jahrtausende

Ich weiß es noch, als ob es gestern gewesen wäre, als vor 130 Jahren, am 26. September 1887, das „Gramophone“ geboren wurde. Unter diesem Namen meldete Emil Berliner (sehr wahrscheinlich ein Nachfahre des eloquenten Höhlenmenschen) seine Tonmaschine in Washington zum Patent an.

Die Grundlage seines damals utopisch anmutenden Apparats war der von Thomas Edison erfundene Phonograph, welchen der pfiffige Berliner aus Hannover zu einer Urausgabe des Grammophons weiterentwickelt hatte. Anders als der Phonograph „arbeitete“ Berliners Grammophon nicht mehr mit Schallrollen oder Walzen, sondern mit Schallscheiben. Diese bestanden zunächst aus Zink, welches mit Wachs beschichtet war.

Die Walze rollt, die Nadel kommt

Der auf diese Weise im Wachs konservierte Ton wurde mit Hilfe einer Nadel reproduziert. Von diesem Vorgang stammt auch der Name Grammophon, welcher „geschriebener Laut“ bedeutet. Die ersten Schallplatten konnten mit einer Spieldauer von vier Minuten bis zu 700 Wörter speichern.

Diese Kapazitäten wurden durch Weiterentwicklungen wie die Verwendung von Schellack ab 1896 immer weiter gesteigert, wodurch die Schallplatte mehr und mehr zum Massenprodukt wurde. Im Zuge dessen entstand 1898 unter dem Namen „Deutsche Grammophon Gesellschaft“ die erste europäische Schallplattenfabrik in Hannover – Berliners Heimatstadt.

Wie „Superstar“ Caruso den Durchbruch schaffte

Spätestens ab 1902 begann endgültig der Siegeszug der Schallplatte. Mit verantwortlich für den millionenfachen Verkauf von Tonträgern zeichnete der damalige „Superstar“ Enrico Caruso. Ein jähes Ende der inzwischen aus Vinyl hergestellten Singles und LPs zeichnete sich erst nach der Markteinführung der CD in den 1980er-Jahren ab. Der drastische Umsatzeinbruch schien die Apokalypse einzuläuten.

Fachzeitschriften wie Audio oder Stereoplay jubelten! Endlich war das schwächste Glied in der HiFi-Kette durch ein perfektes Speichermedium abgelöst worden. Ich erinnere mich noch lebhaft an eine Umfrage unter seinerzeit prominenten Stars und Sternchen, die Knacken, Knistern und Rumpeln rein gar nicht vermissten und der Platte im übertragenen Sinne den letzten Sargnagel einschlugen.

„Kleine Renaissance“ und ihre Folgen

Ganz ehrlich hätte ich nie mit einer „kleinen Renaissance“ der schwarzen Scheibe gerechnet. Aber siehe da: 130 Jahre nach der Erfindung des „Gramophone“ dreht sich die LP wieder mit zunehmendem Erfolg.
In den ersten sechs Monaten 2017 wurden 1,6 Millionen Schallplatten verkauft, nach 1,4 Millionen im gleichen Zeitraum 2016. Der Umsatz lag im ersten Halbjahr 2017 bei 36,6 Millionen Euro und damit um knapp 18 Prozent über dem des Vorjahreszeitraums.

Damit stieg auch der Anteil am Gesamtumsatz des deutschen Musikmarkts in diesem Zeitraum von 4,3 auf nun fünf Prozent. (Quelle Bundesverband Musikindustrie e.V., GfK Entertainment). Bereits seit 2007 präsentiert sich das Vinyl-Segment im Aufwärtstrend.

Der Umsatz stieg deutlich

Dies wirkt sich natürlich auf Absatz und Umsatz von analogen Plattenspielern aus, denn erstens haben viele Leute nach dem fulminanten CD-Start ihren Scheibendreher ausgemustert, zweitens begannen sich immer mehr junge Leute für dieses seltsame Relikt aus vergangenen Zeiten zu interessiern.

Aktuelle Marktdaten der gfu Consumer und Home Electronics GmbH bestätigen Wachstum in dieser kleinen, aber feinen Nische. 106.000 Plattenspieler wurden 2016 verkauft, eine Steigerung um 33 Prozent. Für dieses Jahr erwartet die Branche den Absatz von 118.000 Plattenspielern – ein Plus von zehn Prozent. Der Umsatz stieg um knapp 50 Prozent auf 23 Millionen Euro, die Prognose für 2017 liegt bei 27 Millionen Euro (plus 18 Prozent).

Das Geld sitzt lockerer

Dabei investieren die Vinyl-Liebhaber im Schnitt auch wachsende Beträge in ihr Abspielgerät. Lag der Durchschnittspreis eines Plattenspielers im Jahr 2015 noch bei 192 Euro, so stieg er 2016 auf 216 Euro (plus 12,5 Prozent). Prognose für 2017: 230 Euro (plus sechs Prozent).

Plattenspieler und Vinyl-Schallplatten scheinen ihren Reiz also auch 130 Jahre nach der Erfindung ihrer „Mutter“ nicht zu verlieren. Aber was steckt dahinter? Rein technisch lässt sich ein besserer Klang nicht belegen, denn die Abtastung der Schallplatte ist und bleibt mit Rauschen und Knistern verbunden.

Der besondere Reiz

Die Stereokanäle sind nicht annähernd so exakt getrennt wie in der digitalen Welt; zudem beeinflussen Resonanzen den Frequenzgang. Zurück bleiben kaum erklärbare, subjektive Eindrücke zugunsten der Vinyl-Scheibe. Nicht zur Diskussion steht der haptische Reiz mit Auspacken, Auflegen und Abspielen der großen Scheibe.

Die goldene Mutter und einer ihrer Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel

Es ist halt fast wie seinerzeit in der Höhle. Papi kommt nach einem stressigen Bürotag ohne Keule zurück, freut sich auf ein gemeinsames Diner mit der ganzen Family und präsentiert dann seinen Lieben endlich mit Stolz, was er in einer Plastiktüte „geschmuggelt“ hat.

Vinyl vereint die Family

Er drückt nicht einfach auf seinem Smartphone herum, um den Netzwerk-Receiver zu aktivieren, sondern schreitet in Filzpantoffeln und labbrigem Hausanzug so majestätisch wie möglich zum Sideboard, auf dem vornehm funkelnd „die Anlage“ steht. Er klappt die Haube des edlen Plattenspielers mit dem einem feinmechanischen Kunstwerk gleichenden, filigranen Tonarm mit Bedacht zurück.

Dann friemelt er mit spitzen Fingern die limitierte 180-Gramm-Pressung aus der gefütterten Innenhülle, platziert das tiefschwarz glänzende Teil geschickt auf dem sich bereits drehenden Plattenteller, dirigiert den neuen Moving-Coil Tonabnehmer exakt an die richtige Startposition und senkt dann mit einem kleinen Griff zum ölgedämpften Tonarmlift die präzise geschliffene Diamant- Nadel ab.

Ein wunderbares Happy-End

Mama und die Kids bestaunen derweil das große Cover der Langspielplatte, das so viel „gigantischer“ wirkt, als die Booklets der CDs. Sie freuen sich über abgedruckte Lied-Texte sowie aufwändige Art-Work. Ein ganz leise einsetztenden Knistern, das dem eines Lagerfeuers nicht unähnlich ist, läutet den Start des ersten Titels ein. „Au ja! Rammstein! Komm Papi, lass uns kuscheln“. Wer braucht da noch ein Mammut?

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