Ich bin mir sicher, dass nicht viele Leute den gleichen Vogel wie ich haben. Oder gibt es da draußen noch jemanden, der sich schon einmal Gedanken darüber gemacht hat, wie gut er selbst als hochauflösendes Medium ist? Siehste!

Es ist doch aber so, dass Menschen wie – ich sag jetzt einfach mal: wir – die unter hoher Anspannung beinahe täglich sämtliche Entwicklungen auf dem breiten Feld der Unterhaltungs-Elektronik verfolgen, ein sehr kritischer, eigenbrötlerischer Haufen sind. Uns kann man mitten in der Nacht um 3 Uhr wecken und wir plappern, spezifische Fragen vorausgesetzt, automatisch drauflos und tun gerne kund, von wem der zurzeit allerbeste Super-4K-HDR-Dolby-Vision-OLED-QLED-LCD-Backlight-Laserplasma-Beamer-TV der Welt gebaut wird, was er zu leisten in der Lage ist und wie viel der Spaß kostet.

Wir wissen alles aber keiner will es wissen!

Auch kennen wir die unschlagbarsten Lautsprecher des Planeten, nicht mehr zu überbietende 4K-Kameras nebst rattenschärfsten Objektiven. In Sachen endgeile AV-Receiver, edelste Blu-ray- oder Ultra-Blu-ray-Player, ultimative Speichermedien sowie „beste Kabel der Welt“ macht uns keiner was vor, nicht wahr? Und falls da tatsächlich mal irgend so ein Klugscheißer antanzen, blöd rumquatschen und uns in unverschämt forscher Art und Weise besserwisserisch daherkommen würde, dann müsste sich der aber schleunigst warm anziehen, oder? Aber ganz warm!

Manchmal schmerzt es, dass wir nicht öfter um unsere profunde Meinung gebeten werden. Es ist ja leider Gottes nicht so, dass alles das, was uns heilig ist, den Großteil unserer Mitmenschen ebenso mitreißt und aufwühlt. Diese bedauernswert orientierungslosen Pilger vergeuden ihren winzigen Tropfen irdische Zeit, indem sie alle fünf Minuten einem anderen Politiker-Heini nachhumpeln, sich Sorgen um abgehalfterte Celebrities, tuntige Adelige und unbekannte Prominente machen oder „Männer“, die kochend (!) am Herd (!!) stehen, als Helden feiern. Die Welt ist außer Rand und Band! Fehlt nur noch Donald Trump.

Was macht der Greis in meinem Spiegel?

Aus diesem Kontext heraus erschien mir ein knallharter Selbsttest, den ich neulich mit meinem inneren, recht kritischen, teils sogar widerborstigen Ich sorgsam vorbereitete und gewissenhaft durchführte, völlig normal. Überschrift: „Was tauge ich selbst als hochauflösendes Medium?“ Ich wartete artig ab, bis ich endlich aus unruhigem Schlummer erwachte, dann legte ich sofort los. Recht enttäuschend, denn mein Sichtfeld war stark eingeengt, da die Shutter meiner beiden serienmäßig im Kopf eingebauten Bio- (also quasi OLED) Objektive noch ein wenig klemmten.

„Kenn ich nicht, wasch ich nicht“, meckerte das Korrekturprogramm unter der Schädeldecke, als mich die hässliche Fratze eines uralten, kahlköpfigen, adipösen Greises im Spiegel anstarrte, der die Augen zusammenkniff und schadhafte, gut belegte Zähne bleckte. Mein organisches Audiosystem schien gerade erst hochzufahren, Surround-Sound oder gar immersive Dolby-Atmos-Klangeindrücke wurden vom tieffrequenten Brummen der betagten Festplatte unterdrückt, höchstens gelegentlich durch heitere Pfeifgeräusche in den Ohr-Mikrofonen aufgelockert.

Anti-Viren-Bagage sabotiert den Neustart

Vor mein geistiges Auge projizierte die Regie ein Bild, das mehrere, mit Bier gefüllte, überschäumende, in der Sonne glitzernde Maßkrüge zeigte, welches mit dem absurden Text „Nicht kompatibel!!!“ versehen war. „Wer, zum Teufel, verzapft so einen dermaßenen Quatsch?“, schrie ich – was die Rechtschreibung angeht –  nicht korrekt aber dafür umso leiser in mich hinein. Der Subwoofer im Brustkorb kündigte durch verstärktes Pumpern an, dass ich mich über „die da oben“ von der Anti-Viren-Bagage, die mit so einem Mist meinen eh schon schwierigen Programm-Neustart sabotierten, gewaltig ärgerte. Gleichzeitig mit dem Blutdruck-Anstieg blendeten die Objektive auf und ich konnte endlich ziemlich gut sehen.

Aua! Immersives Geplärr von rechts unten, das in den Hochton-Sektion eine breite Schneise der Verwüstung hinterließ. Ich solle gefälligst endlich in die Küche kommen, der Kaffee sei schließlich längst fertig, außerdem müsse sie jetzt weg, sonst komme sie noch zu spät. Eine kurze Recherche im Datei-Ordner „Wer bin ich und wenn ja – wie viele?“ ergab, dass es sich bei der quietschenden Person um mein Weib handeln musste, dem es wie immer pressierte und dass somit alles völlig normal und im „grünen Bereich“ war.

Kaffee und Bier – ein gewaltiger Unterschied

Hätten Sie´s gewusst? Kaffee ist etwas ganz anderes als Bier! Macht hibbelig und überaktiv, ist ursächlich für überhastete Kameraschwenks mit verwackelten Bildern, die von überforderten System-Administratoren hektisch in einen Zwischenspeicher geschmissen werden. Vermischt mit schlecht abgemischtem Tonspuren, Samples und Original-Zitaten von Hinz und Kunz, denen man im Alltag halt so begegnet bzw. in die Quere kommt. Das meiste könnte man sofort löschen, man würde sich schlagartig besser fühlen, aber da sind die feinen Herren von der Chefetage in der Hirnrinde dagegen, denen man zu verdanken hat, dass man sich die meiste Zeit seines Lebens wie ein zugemüllter USB-Speicher fühlt. Elendes Pack! Wenn ich nur wüsste, wie ich die in die Finger kriege!

Erst des Abends, nach des Tages Mühen und Last, nachdem man vom Ultra HDTV.net-Boss zur Abwechslung mal wieder in purem Gold aufgewogen wurde, kehrt endlich Ruhe, Zufriedenheit und Glück ein. Jetzt funktioniere ich als hochauflösendes Medium wunderbar und ruckelfrei. Die geliebte Gattin, die es längst nicht mehr eilig hat, erscheint liebreizend lächelnd, dank HDR zudem äußerst kontrastreich im perfekt ausgeleuchteten Wohnzimmer und erzählt mit angenehm gedämpfter Stimme Kurioses über jüngst Verblichene aus unserem ständig schrumpfenden Freundes- und Bekanntenkreis. Das kommt in letzter Zeit ungewöhnlich oft vor und ist schon bald nicht mehr lustig. Ich gräme mich indes nicht, sondern vernehme sehr wohl das sanfte Blubbern des Aquariums direkt links neben mir, obgleich beruhigende Gitarren-Salven von Judas Priest aus den Hauptlautsprechern schießen. Nach Lust und Laune kann ich jederzeit auf die App „Hirn-TV“ umschalten.

Die Schar der Toten wächst kontinuierlich

Liebenswerte Menschen wie die beste aller Ehefrauen, das drollige Töchterlein, die drei putzigen Enkelchen, der pfiffige Schwiegersohn und die gutherzigste Schwiegermutter der Erdgeschichte schweben im Verlauf einer Dia-Show der Extraklasse über das dezent frontal in der Birne installierte Curved-Display. Sämtliche Fotos wurden vom Meister selbst (also von mir) mit Vollformat-DSLR-Kameras geschossen, eingefügte Filmschnipsel könnte auch ein Jahrhundert-Regisseur wie Peter Jackson mit 8K-Cams von RED heimlich gedreht haben. Langsam geht der Akku-Ladezustand gen Null. Ich merke es deutlich, wenn die Objektiv-Deckel automatisch vor die Linsen sinken und schreite, von purer Vernunft geleitet, zu Bett, um zu regenerieren. Für andere Sachen fehlt die Energie. Außerdem ist der Erste erst in vierzehn Tagen und man soll nicht einfach so zwischendurch „Schweinkram“ machen. Unwillkürlich muss ich an die neuesten Toten denken. Das kommt von der Lumperei!

Wichtigste Frage an das innere Ich am nächsten Tag: „Wie war ich?“ Und immer schön bei der Wahrheit bleiben! Na gut. Also was die optischen Systeme anbelangt, muss noch nachgebessert und getüftelt werden. Möglicherweise hat meine Gemahlin doch recht, wenn sie behauptet, dass ich Zusatz-Linsen (umgangssprachlich: Brille) bräuchte. Das würde den Tele-Zoombereich garantiert mächtig ausdehnen und könnte durchaus diesen Weichzeichner-Effekt bei Macro-Einstellungen eliminieren. Der nervt beim Zeitung lesen furchtbar. Da in puncto Gesichts-Design bei mir sowieso nichts mehr verschlechtert werden kann, würde ein elegantes Nasen-Fahrrad meiner, hüstel, „Attraktivität“, eventuell sogar zuträglich sein…

Der lustige Tinnitus ficht mich nicht an

Audio haut hin. Vom lustigen Tinnitus mal abgesehen, bin ich zufrieden. Habe festgestellt, dass ein Zuviel an audiophiler  „Hochauflösung“ eher lästig ist. Und mir antrainiert, bei Sachen, die ich gar nicht wissen will, einfach den Fader nach unten zu ziehen, bis Ruhe im Oberstübchen einkehrt. Schlecht hören kann ich, wenn ich will, sehr gut. Die Hirnrinden-Crew tappt diesbezüglich noch im Dunklen – also nix weitersagen. Bin ich SD, HD, Full-HD, Ultra-HD? Höre ich nur zwei mickrige Einbau-Lautsprecher, habe ich einen Soundbar, Dolby-Digital oder Dolby-Atmos mit 5, 7, 9 oder sogar 11 Kanälen? Da ich mich selbst schwer belügen kann, bin ich gezwungen, mir das Testurteil „Oberklasse“ zuzumuten und muss fortan dauernd quengeln, weil es ja schließlich auch die „Spitzenklasse“ gibt, der ich mich insgeheim zugehörig wähnte.

So ähnlich wie manche von diesen Eltern, die nach ein bis zwei „Ehrenrunden“ mit Müh und Not ihren Quali zusammengezimmert haben, heute aber sofort motzen bzw. in Ohnmacht fallen, falls der Filius oder die Tochter, die auf dem Gymnasium sind und dennoch noch nie gesoffen, geraucht und schon gar nicht gekifft haben, mal eine 3 oder – Gottogott – 4 mit nach Hause bringen. Unter diesem Syndrom leide – natürlich nur im ganz abstrakten Sinne – auch ich. Will immer nur „Testsieger“ haben, muss ständig einer der Ersten sein, die neueste Elektronik ausprobieren und kann zu allem Überfluss seit meinem 17. Lebensjahr ohne Spiegelreflex-Kameras nicht mehr existieren.

Getränke-Dealer besorgen gern Gegenmittel

Gibt es da ein Gegenmittel? Irgendwas von Ratiopharm? Eher nicht. Die Augustiner-Brauerei München, Budweiser oder Gutmann-Weißbier kann ich hingegen jedem Leidensgenossen nur empfehlen. Rezeptfrei ohne Risiken erhältlich beim Getränke-Dealer des Vertrauens, voller erwünschter Nebenwirkungen und biologisch hundertprozentig abbaubar. Garantiert nicht hibbelig machend und sowieso sehr viel gesünder als Kaffee, dieses Psychopathen-Gesöff, welches das Nervenkostüm gewissermaßen hochauflöst!

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