Bin mal gespannt, wie lange das noch dauert! Ist Ihnen dieser „HDR-Hype“ noch nicht auf die Nerven gegangen? Nein – ich meine jetzt nicht die endlosen Produkt-Vorstellungen, in denen die TV-Hersteller dieser Welt ihre (und nur ihre) Flatscreens in sämtlichen Größen als alternativlose, technisch einzigartige, absolut zukunftssichere Universal-Lösungen zu absoluten Tiefstpreisen anbieten.

Ich spreche von der unvermeidlichen Konfrontation mit dem Phänomen HDR. Und zwar jeden Tag auf allen Programmen, in „Konserven“ wie Blu-rays oder Ultra-HD Blu-rays und beim Streaming sowieso. Wir erinnern uns, dass die Einführung der High-Dynamic-Range-Technologie im Prinzip eine simple, aber extreme Kontrast-Steigerung auf immer heller leuchtenden Bildschirmen meinte.

Das Volk dürstet nach harten Kontrasten

Saßen wir jahrzehntelang in unseren Wohnzimmern vor trüben Fernseher-Funzeln mit 300 bis 500 nits, so lechzen wir heute geradezu nach 2000 nits-Blendschockern, wie sie zum Beispiel von Samsung unter der irreführenden Bezeichnung QLED-TV hergestellt und gewiss bald wie die warmen Semmeln verkauft werden.

Es reicht nicht mehr, wenn in Filmen und Beiträgen die Sonne scheint und Farben harmonisch in Millionen Abstufungen leuchten – das Volk dürstet nach extremen Kontrasten, harten Schatten in wesentlich mehr als 50 Shades of Grey sowie direkten Blicken in grelle Strahlenbündel.

Eine geheime Konferenz?

Es MUSS Absprachen gegeben haben, anders kann es gar nicht sein. Vielleicht spielte sich ein Szenario dieser Art ab: Industrie-Bosse in feinem Zwirn und mit dunklen Brillen auf der Nase trafen sich an einem geheimen Ort zur Konferenz mit dem Arbeitstitel „The Shining“.

Mit am Tisch saßen die CEOs internationaler Fernseher-Fabrikanten, Regisseure von Weltruhm, Film- und Fernsehschaffende aus aller Herren Länder. Man hielt sich nicht lange mit sonst üblichem Geplänkel auf sondern kam gleich zur Sache.

Die Zeit zum Umstieg drängt

„Wir sind technisch endlich so weit, dass wir das Projekt starten können“, freute sich Mr. X und blickte Beifall heischend in die Runde. „Ab sofort werden unsere neuen super-duper-HDR-Fernseher verkauft und sonst keine anderen mehr. Wer die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat, der möge sich schämen und den Raum verlassen“. Niemand stand auf.

„Also dann“, jubelte Mr. X, „wie machen wir den zig-Millionen Leuten da draußen, die noch keine HDR-Geräte haben klar, dass die Zeit zum Umstieg drängt?“

„Vielleicht drehen und senden wir einfach nur noch Material, das höchsten HDR-Ansprüchen genügt“, fragte sich Intendant K. laut, nahm dankend einen anerkennenden Prankenhieb auf die Schulter von Mr. X entgegen und schaute den Hollywood-Regisseur M. herausfordernd an.

Die Sonne stets im Mittelpunkt

Dieser räkelte sich nur gelangweilt auf seinem Stuhl und wies einen seiner Laufburschen an, neuestes Blockbuster-Material auf dem Konferenztisch auszubreiten. Die Titel klangen unverdächtig. „Monster-Man 8“, „King Kong gegen King Louis“, „Der Teufel hat den Schnaps versteckt“, „Bett-Man 7“, „Trapp Trapp, der Trapper“ und „Tripp Tripp, der Indianer“.

„Don´t worry“, knurrte der sonnengebräunte Kalifornier. „Is alles voll o.k. for die High Dynamic Range“. Praktisch alle Spielfilme seien ausschließlich „against the Sun“ gedreht worden. Statt bei Schnitten und Übergängen abzublenden, habe man die 8K-Kameras vor Szenenwechseln jeweils direkt auf das Zentralgestirn ausgerichtet und bei Innenaufnahmen streng darauf geachtet, dass sich Dialoge der Darsteller vor Fenstern abspielten, durch welche gleißendes Licht fiel.

Der Schattenmann ist stets dabei

Außenaufnahmen spielten sich so gut wie immer im grellen Schein der Nachmittags-Sonne ab und auf jeden Fall musste irgendwann irgend jemand plötzlich aus tiefem Schatten auftauchen, der im günstigsten Fall etwas mit der Handlung zu tun hatte, üblicherweise aber lediglich durch sein überraschendes Erscheinen auf der Bildfläche für Verwirrung sorgte.

Die Leute vom Fernsehen schrieben mit hochroten Köpfen jedes Wort mit – und jetzt haben wir den Salat. Achten Sie einmal auf Details, wenn Sie demnächst vor dem Bildschirm sitzen. Wir stolpern frohgemut auf eine strahlend neue Fernseh-Ära zu und können nur dann wirklich mitreden, wenn wir selbst im HDR-Club sind.

Insgeheim hoffe ich, dass sich die Aufregung bald wieder legt, der Trend zu Gegenlicht-Orgien abebbt und sich Film- und Fernseh-Leute anderen Themen zuwenden. „Mehr Inhalt“ wäre nicht der schlechteste Ansatz und gleichzeitig ein starker Kontrast zu aktuellen Blockbustern.

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