„Wir wissen zu viel!“ Das war der erste Gedanke, der mir nach der Lektüre eines Artikels über eine gfu Studie durch die morschen Synapsen schoss. Mit „wir“ meine ich übrigens „uns“, also vor allem die technisch bewanderten Leser dieses Blogs, denen in Sachen Unterhaltungselektronik niemand ein X für ein U vormacht.

Zweiter, mit einem erlösenden Seufzer verbundener Gedankenblitz: „Zum Glück sind wir nicht mehr im Mittelalter“. Denken Sie an den armen Leonardo da Vinci! Seiner Intelligenz, seiner schnellen Auffassungsgabe und seinem Mut, neue Wege zu gehen, hatte er es zu verdanken, dass er von allerhand religiöser Prominenz als Ketzer, der mit dem Teufel im Bunde steht, bezeichnet wurde.

So schnell kann es gehen

Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Sie treffen in der Stadt einen alten Freund, der Ihr Hobby mit Ihnen teilt und plaudern auf dem Marktplatz ein wenig über dies und das. Die Diskussion wird etwas hitzig, weil Sie an Dolby Vision glauben, während Ihr Kumpel das herkömmliche HDR-10 bevorzugt.

Es ist nicht zu vermeiden, dass beide Begriffe mehrmals lautstark genannt werden, schon kommt Unruhe in die neugierige Menschenmenge, die Sie mittlerweile umzingelt. Als ein glutäugiger Kuttenträger plötzlich mit spitzem Finger am ausgestreckten Arm auf Sie deutet und „Frevler“ brüllt, stiebt das Volk in alle Himmelsrichtungen auseinander.

Das Vermächtnis von Ultra-HDTV.net

Spießbürger eilen flugs herbei, legen Sie in Ketten und zerren Sie zwecks „peinlicher Befragung“ in ein finsteres Verlies. Sie werden geschubst, gestoßen, gezwickt und stolpern über gestellte Beine, nur weil Sie der Mehrheit gegenüber einen Wissensvorsprung hatten. Ist es gefährlich, Ultra-HDTV.net und dergleichen ketzerische Schriften zu lesen?

Sie werden staunen über die Ergebnisse einer repräsentativen Studie mit der Befragung von 2000 Haushalten in Deutschland, die im Mai dieses Jahres von Value_A Marketing Intelligence im Auftrag der gfu Consumer & Home Electronics GmbH durchgeführt wurde. Die Gretchenfrage lautete: „Welche technischen Begriffe aus der Welt der Consumer Electronics sind bekannt und wo gibt es noch Erklärungsbedarf“?

Smart TV kennt fast jeder

Eine Art „alter Hut“ ist in Deutschland Smart TV. Lediglich fünf Prozent der Befragten gaben an, diesen Begriff nicht zu kennen. Entsprechend hat sich Smart TV am Markt durchgesetzt. 2016 waren bereits 64 Prozent aller verkauften Fernsehgeräte smarte Modelle mit Anschluss ans Internet.

Ebenfalls „prominent“ ist eine Anwendung smarter TV-Funktionen: Video on Demand. Filme auf Abruf kannten knapp 82 Prozent der Klienten, lediglich 18 Prozent mussten passen.

Nach HDTV wird die Luft dünn

Auf ein fast ebenso gutes Ergebnis wie Smart TV kommt HDTV. Nur 5,5 Prozent kennen den Gattungsbegriff für das hochauflösende Fernsehen nicht. Bei der nächsten Entwicklungsstufe, Ultra HDTV mit der viermal so hohen Auflösung wie HDTV, ist hingegen noch konkretere Information in Richtung der Verbraucher erforderlich.

Rund 42 Prozent der in der Studie befragten Bürger sagte dieser Begriff nichts. 4k, ein Kürzel, das ebenfalls für Produkte mit der gesteigerten Auflösung verwendet wird, schnitt um gut zehn Prozentpunkte besser ab. Für knapp 32 Prozent der Befragten war 4k allerdings ein Mysterium.

Erfolgreiche Kampagne

Im März 2017 wurde die terrestrische Übertragung von TV-Signalen auf HDTV umgestellt. Aus DVB-T wurde DVB-T2 HD. Nur knapp acht Prozent der TV-Haushalte in Deutschland waren davon betroffen.
Eine breit angelegte Informationskampagne war allerdings so erfolgreich, dass rund 80 Prozent die Bezeichnung für die neue Übertragungsart DVB-T2 HD kennen.

Im Vergleich zur Anzahl der Haushalte, die über diesen Übertragungsweg versorgt werden, ein erfreulich hoher Bekanntheitsgrad. Technische Begriffe und Gerätegattungen, die noch relativ neu im Markt sind, bedürfen gemäß dem Ergebnis der gfu Studie noch weiterer Information.

OLED und HDR sind spanische Dörfer

So kennen 48 Prozent der Befragten den Begriff HDR gar nicht. Das Kürzel steht, wie wir Pfarrerskinder wissen, für High Dynamic Range und damit einen extrem gesteigerten Kontrast. Ein ähnliches Ergebnis hat die gfu Studie für OLED ergeben:

Knapp 46 Prozent aller Kandidaten wussten mit dem Begriff für OLED-Schirme, die jedes einzelne Bildpünktchen mit selbstleuchtenden Halbleiterzellen aus organischem Material erzeugen, nichts anzufangen. Die Frage nach QLED erübrigte sich höchstwahrscheinlich automatisch.

Unkenntnis lähmt den Markterfolg

Dazu erklärt Hans-Joachim Kamp, Aufsichtsratsvorsitzender der gfu: „Neue Technologien müssen den Verbrauchern ausführlich, verständlich und schlüssig erklärt werden. Hierzu sind Handel und Industrie gemeinsam gefordert. Dabei kommt der ersten Phase der Markteinführung eine besondere Bedeutung zu“.

Falls die Kunden den Mehrwert und die Vorteile des technischen Fortschritts nicht verstehen, werde sich der Markterfolg nicht oder nur stark verzögert einstellen. Plattformen wie die IFA, die weltweit bedeutendste Messe für Consumer Electronics und Home Appliances, böten herausragende Möglichkeiten, die Öffentlichkeit über Technologien und Produkte zu informieren und Marktimpulse zu erzeugen.

Bleiben Sie am Ball!

Mein persönliches Fazit: Versehentliche Kerkeraufenthalte werden durch breite Aufklärungsmaßnahmen in der Bevölkerung stark reduziert. Wissen ist Macht – und mehr wissen, macht auch nichts. Bleiben Sie aufgeklärt und „am Ball“.

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