Armer Glücklicher! Da stehst Du nun mit einer prall gefüllten Geldbörse vor einem endlos breiten Regal im Elektronik-Fachmarkt Deines Vertrauens, hast „freie Auswahl“ und bist festen Willens, nicht irgendeinen, sondern DEN 4K-Fernseher schlechthin käuflich zu erwerben, um für viele, viele Jahre auf der „sicheren Seite“ zu sein. Will heißen: nicht schon bald wieder ein neues Gerät erwerben zu müssen, weil Dein TV in Windeseile technisch veraltet, aus der Sicht aggressiver Markteting-Strategen fast schon museumsreif ist.
Logos, Aufkleber, Hinweisschilder verschleiern Deinen Blick, liefern Abkürzungen und Piktogramme, die Deinen Geist verwirren. HDR, Ultra-HD, 4K, 3D, LCD, LED, OLED, QLED, Backlight, Clear-Motion und immer wieder Hertz: sollen es 50, 100, 200 oder 400 sein? Je mehr, desto besser, oder? Das Thema Bildwiederholungsfrequenz in all seinen Facetten plagt Leser unseres Newsletter immer wieder. Wir haben schon öfters darüber berichtet, doch gerade jetzt, wo kurz vor der Internationalen Funkausstellung in Berlin (2. bis 7. September) in fast allen einschlägigen Medien permanent über „Premium-4K-Fernseher“ berichtet und diskutiert wird, lodern neue Brandherde auf.
Hausgemachte Verfahren verwirren gezielt
Ansinnen dieses Artikels ist es, ohne viel technisches Getöse Licht ins Dunkel zu bringen und mit so wenigen Zahlen und Datenangaben wie möglich auszukommen. Ob es mir gelingt, weiß ich noch nicht. Möget ihr da draußen an den Monitoren nach der Lektüre den Daumen heben oder senken.
Ich bin Bayer – also auf geht’s, pack´ mas (lassen wir es angehen): Was verbirgt sich hinter Abkürzungen wie 600 Hz PMI, 800 Hz PMR oder 1000 Hz CMR? Ganz einfach: je höher die Zahl, desto mehr Bilder jagt der Fernseher pro Sekunde über den Bildschirm. Und wieso wird seitens der Hersteller so viel Heckmeck gemacht? Antwort: Weil es umso weniger ruckelt, je schneller die Kiste rumpelt. Also wenigstens im Prinzip. Bestehen noch Unklarheiten? Ja ja. War bloß Spaß.
Ich greife heimlich zum Wälzer von Claus Burosch mit dem fesselnden Titel „Medientechnik“. Und gebe quasi aus erster Hand weiter, dass seit der Erfindung des Fernsehens das sogenannte Zeilensprung- oder Halbbildverfahren die klassische Methode der Bildübertragung ist. Zwei Halbe (Bilder, nicht Bier – ich bin Bayer) werden nacheinander Zeile für Zeile gesendet und empfangen, wobei beim ersten Halbbild mit der ersten Bildzeile begonnen wird, danach die Abtastung der ungeraden und im Anschluss der geraden Bildzeilen erfolgt. Es wird flink gepuzzelt, könnte man frotzeln.
„Doppel-Hertz“ macht alles flüssiger
Mit dem technischen Fortschritt entwickelte sich das Vollbildverfahren, bei dem – ihr ahnt es – ganze Bilder nacheinander in den Äther gepustet wurden. Mindestens 20 davon sind pro Sekunde nötig, damit unser Gehirn „Ah“ macht und Bewegung erkennt. Im Kino, der „Mutter des Fernsehens“, verwöhnte man die Zuschauer mit 24 Exemplaren, dennoch klagten in den Anfangstagen nicht wenige von ihnen über Kopfschmerzen, was vom angestrengten Zusammenkneifen der Augen kam. Resultierend aus dem die menschlichen Seh-Organe strapazierenden Großflächenflimmern, welches – simpel ausgedrückt – durch starke Kontrastschwankungen ausgelöst wird. Denn zwischen jedem der 24 Bilder, die sekündlich an den Pupillen vorbeirauschen, ist auf dem Film ein schwarzer Balken zu sehen, der natürlich „mitspielt“.
Wegen verpflichtender Fernseh-Normen in Europa basiert die Übertragung von digitalen Videosignalen und Sendematerial auf der Basis einer Bildwiederholungsfrequenz von 50 Hz. Anfang der 1980er-Jahre wurden TV-Geräte mit 100 Hz auf den Markt gebracht, die die Zeit vor der Mattscheibe in den Augen des Betrachters im wahrsten Sinne des Wortes erheblich angenehmer machten. Langsam wuchsen die Diagonalen der Röhren-Fernseher auf 84 oder gar 95 Zentimeter, da sorgte „Doppel-Hertz“ für flüssigere Bewegtbilder bei Kamera-Schwenks.
Was das Thema „Bildabtastung“ anbelangt, gibt es zwei maßgebliche Techniken. Das Zeilensprungverfahren und die progressive Abtastung im Vollbildmodus. Der englische Begriff „Interlace“ bezeichnet Bildsignale, die im Zeilensprungverfahren arbeiten – entsprechende Formate sind das europäische PAL, das amerikanische NTSC und das HD-Format 1080i. Im Gegensatz zum ursprünglichen Analog-Fernsehen im PAL-Format löst HDTV (1080i) mit einem Wert von 2.073.600 Bildpunkten fünf Mal so hoch auf.
Die progressive Abtastung wurde ursprünglich in CCD- und CMOS-Sensoren für Video- und Digitalkameras verwendet und hat sich jetzt in der Bildübertragung etabliert. Das „p“ in Bildratenangaben (24p) ist ein gängiges Beispiel. Bei der Bezeichnung 1080p handelt es sich um eine progressive HDTV-Darstellung mit 1080 Zeilen. Enormer Vorteil: wenn echte Vollbilder und keine zeilenverschränkten Halbbilder gesendet und empfangen werden, wird das Zeilenflimmern weitgehend eliminiert. Progressive Scan ist Trumpf im digitalen Fernsehen, hauptsächlich aber bei Kino-Produktionen und damit bei den Trägermedien DVD, Blu-ray und der neuen Ultra-HD-Blu-ray-Disc.
Historisches Zelluloid in die Neuzeit transferiert
Der Fan guter alter Filme stünde im Regen, hätten schlaue Köpfe nicht Mitleid mit ihm gehabt und das De-Interlacing-Verfahren ausgetüftelt, um „historisches“ Zelluloid fit für die Neuzeit zu machen und Halb- in Vollbilder zu konvertieren. Grob könnte man De-Interlacing mit dem Begriff „Zeilenentflechtung“ übersetzen, die segensreiche Dienste tut, wenn Filme, die im Zeilensprungverfahren aufgenommen wurden, über moderne Fernseher oder Beamer laufen. Integrierte „Zeilenentflechter“ entflechten geschickt wie der Teufel und passen die Bildfrequenz automatisch an.
„Moment mal“, wird jetzt der eine oder andere Cineast knurren: „auch heute noch werden die meisten Kinofilme mit 24 Bildern pro Sekunde gedreht“. Völlig richtig. Großes Lob und Anerkennung! Anders als anno dazumal werden heute allerdings Einzelbilder mehrere Male hintereinander auf die Leinwand projiziert und dazwischen kurz abgedunkelt, um den Eindruck einer wirklich flüssigen Bewegung zu vermitteln und die Augen des Publikums zu schonen. Ganz ähnlich arbeiten auch moderne LED-Fernseher, die in den meisten Fällen über eine Bildwiederholungsfrequenz von 100 Hz verfügen. Wenn sie 3D wiedergeben können, sind es in der Regel 200 Hz. Mehr braucht kein Mensch mit „serienmäßigen“ Augen.
Um aber Käufer mit vermeintlich wesentlich schnelleren, technisch ausgereifteren Geräten anzulocken, tricksen die Hersteller nicht schlecht und rechnen eine Menge Zwischenbilder ein. Sieht auf dem Karton und in der Werbe-Annonce fett und protzig aus, hat in der Praxis aber nicht nur Vorteile. Denn visuelle Bestandteile, die sich zwischen zwei Bildern nicht verändern, werden im Panel (dem Herz des Fernsehers) auch nicht neu berechnet. Dadurch kann der sogenannte „Soap-Effekt“ entstehen, der mit unnatürlich erscheinender Statik des Bild-Hintergrundes stark an billig produzierte Seifenopern erinnert.
Zwei mal zwei macht 400
Entain.de hat sich die Mühe gemacht, die wichtigsten kreativen Bezeichnungen und Technologien unter die Lupe zu nehmen. Ich bin so frei und gebe die Infos weiter. Fangen wir mit Samsung und CMR (Clear Motion Rate) an. Diese bezieht neben der Bildwiederholungsrate (Panel-Refresh) auch die Backlight-Steuerung und den Bildprozessor in die Bildanzeige mit ein. Aus einem 100 Hz-Panel wird somit ein schnelles Display mit 400 Hz CMR. Des Rätsels Lösung? Der Samsung-TV gibt weiterhin maximal 100 Bilder pro Sekunde aus, mal zwei für die Zwischenbildberechnung, mal zwei für Backlight-Blinking – macht 400 Hz CMR. Ähnlich verhält es sich mit dem neuen Wert PQI (Picture Quality Index).
Für die Berechnung des Picture Mastering Index von LG werden hauptsächlich drei Eigenschaften verwendet: Clarity (Klarheit), Color (Farbdarstellung) und Contrast (Kontrast). Je höher der Wert, desto besser das Bild – behauptet LG! Der hausgemachte Motion Clarity Index (MCI) „verwertet“ darüber hinaus auch das Backlight-Scanning, Local Dimming und die Zwischenbildberechnung, der Ultra Clarity Index (UCI) ist lediglich eine neue Bezeichnung bei allen hochauflösenden Ultra-HD-TVs der Koreaner.
Bildwiederholungsrate plus Zwischenbildberechnung plus Backlight-Regelung heißt bei Sony Motionflow XR (MXR). Bei Toshiba meint man mit der Active Motion Rate (AMR) exakt das selbe. Sehr fantasievoll die Zutaten für die Perfect Motion Rate von Philips, die sich auf die Ambilight-TVs bezieht: Wie gehabt Bildwiederholungsrate, Zwischenbildberechnung (mit jeweils dem Scanning-Backlight), dem Blinking-Backlight, dem lokalen Dimmen plus dem gezielten Aufdrehen der Hintergrundbeleuchtung bei hellen Bildern sowie dem gezielten Dimmen des Backlights in dunklen Szenen.
Wieso mir jetzt gerade Shakespeare´s Theaterstück „Viel Lärm um Nichts“ in den Sinn kommt, weiß ich nicht. Passt irgendwie prima zum Spruch „Klappern gehört zum Handwerk“ oder zur Universal-Weisheit „klotzen, nicht kleckern“. Mein geschätzter Kollege Byron Jochims hat es in seinem vor kurzem veröffentlichten Ratgeber zum Ultra-HD-Kauf auf den Punkt gebracht: Hinsetzen, nachdenken, aufschreiben, auf welche Details man Wert legt, grobe Auswahl treffen und dann relativ entspannt den maßgeschneiderten TV finden. Weniger ist oft mehr – auch ein toller Spruch!
Quellen:
Es wäre schön, wenn es eine glaubwürdige Instanz gäbe, die 4K-Fernseher testet und eine „echte“ Rangliste für die Güte der Geräte für uns erstellen würde. Host me?
Hob di scho, Walter! Eine „echte“ Rangliste für die Güte der Geräte zu erstellen, erscheint mir indes schwer. Denn im Prinzip sind ja alle infrage kommenden Ultra-HD-TVs sehr gut. Die Trickserei mit irrwitzigen Hertz-Angaben bräuchte es natürlich nicht, da hast Du vollkommen recht. Das wirft ein schlechtes Licht auf die gesamte Branche. Als schwacher Trost bleibt nur, dass es nicht die Einzige ist. Man braucht sich nur Auto-Werbung anzuschauen. TDI, TSI, GTI, Blue-Motion, bla, bla, bla… Und jeder Hersteller von Otto- oder Dieselmotoren nimmt für sich in Anspruch, die saubersten und sparsamsten zu bauen. Beim Sprit wetteifern Aral, Shell oder Esso mit Superlativen um die Gunst des Kunden, obwohl jeder weiß, dass überall die selbe Plörre abgefüllt wird. „Mundus vult decipi, ergo decipiatur“, sprach der alte Römer. „Die Welt will betrogen sein, also soll sie betrogen werden.“ Und mir Bayern wissens eh – Rosstäuscher hot´s scho allweil gem, ned woar?
Dees is woar!
Früher war es einfacher, Filme zu hantieren. Anlog wird ausradiert, aber Ersatz? Nix!
Ich möchte versuchen, etwas mehr Klarheit in diese unübersichtliche Materie zu bringen:
Die Anzahl der Bilder je Sekunde, auch wenn sie nur wiederholt werden, bestimmt, ob das Bild flackert oder einen ruhigen, kopfschmerzfreien Genuss bietet. Da liegt die Unbedenklichkeitsgrenze wohl bei 100 Hertz. Auch empfindliche Zuschauer dürften ab dieser Bidwiederholungsfrequenz keine Probleme haben.
Etwas anderes ist die Bewegungsauflösung. Üblicherweise wird in Deutschland meist in 1080i mit 50 Halbbildern/s oder 1080p mit 50 Vollbildern/s gedreht (HD).
Diese Bildfrequenzen sind für eine flüssige, ruckelfreie Wiedergabe auch bei Bewegung (Kameraschwenk) auf dem heimischen Fernsehgerät ausreichend. An senkrechten Linien kann es aber bei der Interlace-Übertragung (50i) bei horizontalen Kameraschwenks oder Bewegungen des Objektes zu „Mäusezähnchen“ kommen. Es werden von einem Halbbild zum nächsten die untereinander liegenden Bildpunkte horizontal gegeneinander verschoben. Bei 50p passiert das nicht.
„Sinnvollerweise“ senden die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland in 720p, das heißt, mit geringerer Auflösung (=unschärfer). Der vermeintliche Vorteil, dass dafür aber mit Vollbildern gearbeitet wird, kommt nicht zum tragen, weil das Ursprungsmaterial der Kamera meist Halbbildmaterial ist. Man vereint hier also die Nachteile von 1080i mit den Nachteilen der geringeren Auflösung von 720p-Abtastung.
Bei UHD dürfte dieses Problem nicht existieren, weil hier nur progressiv (2160p) gedreht wird.
Weil aber die Datenmenge sehr beachtlich ist, sind UHD-Kameras oft nicht in der Lage, mit 50 Vollbildern/s zu arbeiten.
Interlace ist keine Option, also wird stattdessen mit der halben Bildfrequenz gearbeitet.
Solange sich nichts bewegt, sieht alles ganz gut aus, bei Bewegung kommt es aber zu den Ruckeleffekten, wie man es aus dem Kino kennt.
Diese Einschränkung gilt nur für die meisten der bekannten Konsumer- und preisgünstigen Profikameras.
Um diesen Mangel an Bewegungsauflösung zu beheben, gibt es in einigen UHD-Fernsehgeräten eine Elektronik, die neue Zwischenbilder, die nicht nur das vorangegangene Bild wiederholen (das bringt ja bei Bewegung nichts), sondern ein neues durch Interpolation berechnen. Beispiel: LG 55EG9609 mit der „Trumotion“-Einstellung.
Zusammenfassung:
Man muß zwischen Bildwiederholungsfrequenz („Flackerfrequenz“) des Fernsehers und der Bildfrequenz bei der Aufnahme
(Bewegungsauflösung) unterscheiden.
Lieber Hilmer! Man kann stolz sein, wenn man Leser wie Dich in seinen Reihen weiß. Deine absolut perfekte Erklärung und hilfreiche Ergänzung ergänzt mein klägliches Geschreibsel. Vielen Dank dafür! Wenn man so ein komplexes Thema aufgreift, tut man sich als Autor immer schwer, Grenzen abzustecken, was aber sein muss, da man sonst Gefahr läuft, ins Uferlose abzudriften und den Leser mit zu langen Texten zu nerven. Großartig, wenn Leute wie Du dann auf wichtige ausgegrenzte Details aufmerksam machen. Super Kommentar!
Mehr Spinat bei Eisenmangel essen.