Neulich gruselte mir in der Zwischenwelt. Es kommt selten vor, dass ich überhaupt träume – aber wenn ich träume, dann träume ich Alb. Oder Alp? Wurscht. Jedenfalls werde ich im hilflosen, bewusstlosen Zustand, der ursprünglich dafür vorgesehen war, Erholung zu bringen, von Dämonen gepiesackt, um die mich Meister Steven King beneiden würde.

Monster, Teufel, Massenmörder, Hexen oder Ehefrauen spielen in meinem Privatkopf-Kino nie oder höchstens in Ausnahmefällen eine tragende Rolle. Solchen traurigen Figuren bin ich gewachsen (also zumindest den Angehörigen der ersten vier Kategorien). Da steh ich drüber. Seit ich die Ehre habe, bei Ultra HDTV.net mitwirken zu dürfen, wuchern allerdings andere Schreckens-Szenarien wie Schwammerl (Pilze) in spärlichen Gehirnwindungen und produzieren nach Lust und Laune grausamen Synapsen-Fasching.

Audienz im Bernsteinzimmer

Obgleich ich bislang noch nie von meinen formidablen Chefs verprügelt oder von meinen durch die Bank mustergültigen Kollegen gehänselt bzw. gegretelt wurde, ziehen sie indirekt die Fäden, wenn ich nach des Tages Mühen und Beschwerden auf meiner kargen, harten Lagerstatt niedersinke und einen möglichst ereignisarmen Aufenthalt in Morpheus´ Armen erflehe. Doch das sadistische Pack kennt keine Gnade!

Vor kurzer Zeit erhielt ich in der Tiefschlaf-Phase den Auftrag, einen exakten Ultra-HD-Testbericht über eine nagelneue 4K-Zauberkiste zu erstellen. Der oberste Boss der Bosse höchstpersönlich räumte mir eine Audienz in seinem Bernsteinzimmer ein, um mich zu instruieren. Ich fand es außerordentlich nett von ihm, unserem Betriebsrats-Vorsitzenden den Gebrauch der Peitsche von Vornherein zu untersagen.

Merkwürden wurden zügig vertraulich, als Er das Wort an mich richtete: „Hör zu, Dings“. „Er heißt Udo“, tönte aus dem Hintergrund. „Weiß ich doch“, winkte mein Meister ab. „Also hör zu, Uhu: lade auf Kosten unserer weltumspannenden Organisation Kumpels und Freunde unterschiedlichsten Temperaments, Bildungsgrades und Verstandes ein, verfolge mit ihnen ein Fußballspiel, das wir eigens für euch in 4K übertragen lassen und berichte mir dann schriftlich in allen Details, in welcher Form der Pöbel uns unsere immensen Anstrengungen dankt und ob er überhaupt in der Lage ist, für die jüngsten Segnungen der Technik Verehrung sowie ewige Bewunderung im erforderlichen Umfang aufzubringen. Und nun hinfort – husch husch. Ich muss noch die Armen speisen und Huldigungen entgegennehmen“.

Das Team des Vertrauens

Das Gute am Pöbel – oder auch Mob – ist, dass er sich in sich zuspitzenden Lebenssituationen stets blitzartig an seine besten alten Kumpels erinnert, die er manchmal schon längst nicht mehr leiden kann – aber was soll´s? Ich rief zuerst Heinz an. Gäbe es den Titel „Bester Passiv-Fußballers der uns bekannten Welt“, hätte er ihn inne. Er meidet jede hastige Bewegung wie die Pest, um sich beispielsweise aus verbliebenen Leibeskräften lautstark und in derben Worten über E-Jugendmannschaften (acht bis zehnjährige Knirpse) zu echauffieren, die den langsam über den Platz kullernden Ball verfolgen wie ein Bienenschwarm, anstatt „ordentliche Positionen“ einzunehmen und „wie Männer“ anzugreifen.

Heinz ist wesentlich jünger als ich, lässt sich aus Gewissensgründen aber längst nicht mehr von Arbeitgebern ausbeuten, da er „berufen ist, sich haupt-nebenamtlich um die Fußballnation Deutschland zu kümmern“, die seiner Überzeugung nach nie zu dem geworden wäre, was sie heute ist, wenn er nicht stapelweise Briefe an Bundestrainer geschickt hätte, die „selbstverständlich berücksichtigt, anschließend aber unterschlagen wurden, weil die Heinis ja sonst abtreten müssen hätten“.

Ernst heißt wahrscheinlich Ernst, weil er seit seiner Geburt immer nur ernst ist. Im Ernst: mit dem kannst Du zum Karneval in Rio oder zur Beisetzung seiner eigenen Großmutter fahren – seine Gemütslage verändert sich in keinster Weise. Ernst halt. Er gehört – ohne selbst spezifischen Verdacht zu schöpfen – der Sippe der Erbsenzähler an, die nichts wahrnehmen oder gar glauben will, ohne nachgezählt, überprüft, mindestens aber abgewogen zu haben. Der Mittelpunkt jeder Party in unserem Mopedfahrer-Vereinsheim, ich schwör.

Philosoph und Stänkerer

Außerdem gibt es noch den Kurti, der sofort immer nachmault, wenn ihm was nicht passt und dem eigentlich nie was passt. „Noch so`n Spruch – Kieferbruch“, lautet seine Maxime, aber eigentlich meint er es gar nicht so, sondern verhält sich im Verteidigungsfall wie ein echter Gentleman, indem er sich mit seinen 164 Kilo Lebendgewicht gutmütig auf mutmaßliche Aggressoren setzt, bis nach viel Gefiepse und Gejapse endlich Schweigen einkehrt.

Ein gestandener Bayer wie ich ist der Erwin. Leicht erkennbar an der kurzen Lederhose, die er zu jeder Jahreszeit trägt und an seinem Trachtenhut mit „Gamsbart“ (für Preiß´n: eine Art Rasierpinsel). Wenn man es ihm auch nicht anhört, ist der Erwin ein großer, oft falsch verstandener Philosoph. Alles ihm mündlich Zugetragene kommentiert er entweder mit einem erfreut intoniertem, von Kopfschütteln begleiteten oder aber einem seufzenden „Ja mei!“, bei dem er zustimmend nickt.

Ich gehörte natürlich auch zur Testmannschaft. Ja Gott, wie soll ich mich beschreiben? O.K. Gott wäre schon mal übertrieben (kleiner Scherz), aber ohne jetzt hier zu lügen könnte man durchaus behaupten, dass ich ein von purer Vernunft geprägtes Mitglied der menschlichen Rasse bin. Immer gerecht, immer weise und zurückhaltend, von Nächstenliebe bis oben hin angefüllt. Seltenst hart, dann aber ungerecht, allerhöchstens impulsiv, keinesfalls jähzornig (merkt euch das endlich mal, ihr Penner!). Aufmerksame, liebenswerte Menschen sagen mir nach, dass im Abendlicht ein sanft leuchtender Kreis über meinem Haupt schwebt, wie man ihn sonst nur von Heiligen-Bildnissen her kennt.

Feen und Zauberwesen

Jetzt aber zum Test: Wir nahmen auf einer opulent ausstaffierten Kino-Couch vor dem riesigen High-Tech-Fernseher Platz. Die Ton-Ingenieure von Ultra HDTV.net hatten die elfkanalige Dolby-Atmos-Anlage optimal eingepegelt, die Bauch-Tänzerinnen verschwanden aus dem mit üppigen Perser-Teppichen ausgelegten Vorführ-Salon und wurden von ebenso grazilen, weiblichen Geschöpfen abgelöst, die den Auftrag hatten, für unser leibliches Wohl zu sorgen. Sie näherten sich uns schüchtern bis devot und baten höflich um Befehle.

„Is klar“, jubelte Heinz anerkennend. „Hör ma, bring ma… Oder nö. Also pass auf: der Heinz, das bin ich, Schätzeken, will immer nur Pils. Mit Chips – weißte Bescheid. Immer flott nachfüllen, damit ich nich am Knistern fange wie Pergament-Papier, Bruhaha!“

Ernst scheiterte traditionell bei der ersten Kontaktaufnahme. „Ich? Trinken? Was?“ Verzweifelter Blick in die Runde, dann – resignierend im Tonfall – „stilles Wasser wäre toll“.

Die Überlegenheit des Maßkruges

„Ja mei, Weiberl, bringst ma halt a so a Pils, wenns das darenna konnst“, brummte der Erwin geschmeichelt und spielte nervös an seinem Gamsbart herum. Der Gesichtsausdruck der Dienerin ähnelte stark einem Fragezeichen. „Aso. Vaschdehsd mi ned. I moan: Entschuldigens scho, Freilein, verstehen Sie Ihnen mich nüchd? Weil doch die Pilsgläslein so kloin sint, hawe ich gemeind, dass es vülleichd fir Ihre zarten Fieße gesünder wäre, wenn Sie mir die Hopfenkaltschale in oinem Maßkrug wia auf da Wies´n servieren dadaden, äh, tätäten, also: täten. Hos´d mi?“

„Aber dann wird das Bier doch schal, mein Herr“, gab die gute Fee piepsend zu bedenken. „Da brauchen Sie Ihnen durchaus koine Angsd nichd hawen, scheenes Freilein, indem es bloß darauf ankommt, wia schnöll man es drinken tut, äh trinken dut“.

Kurti fing in diesem Moment lautstark an zu motzen. Er bemäkelte, dass ausgerechnet mal wieder er als Letzter gefragt wurde, ließ sich vom Zauberwesen in seinem Zuständigkeitsbereich dann aber doch noch zu Bier („aber ohne Chips und mit lieber `n paar Kurze“) überreden und konzentrierte sich wie ich – der als neutraler Tester zum Heilfasten verpflichtet war – auf den Flatscreen.

Apocalypse Now!

Schlagt mich tot: ich weiß nicht mehr, wer da gegen wen und warum überhaupt Fußball gespielt hat! Interessiert mich nicht. Mädchensport, sag ich immer. Wie die Amis. Wer schon mal American Football oder Eishockey gesehen hat, weiß, was ich meine. Sogleich registrierte ich indes, dass der Kontrast-Umfang des Bildes phänomenal war, dass man bei Kameraschwenks in die Sonne dank HDR förmlich geblendet wurde und dass Zeitlupen-Wiederholungen in nie geahnter Qualität das Auge verwöhnten. Jeder einzelne Schweißtropfen war rattenscharf auf dem Bildschirm zu verfolgen.

Gefühlte 20 Sekunden später wurde ich von Heinz brutal aus meiner aufkeimenden Euphorie gerissen. „Eierkopp! Kriegt die Flanke nich, der faule Sack! Die können doch alle nichmehr richtig rennen, nä?“ Beifall heischend blickte der theoretische Experte in die Runde und schien auf lobende Worte erpicht. Auf der großzügig dimensionierten Fläche seines gewölbten Bauches hatte er die Bierflasche und eine amtliche Schüssel Chips abgestellt, was in den Augen sehr vieler Fußballkenner seiner Reputation – nun ja – nicht gerade zuträglich gewesen wäre. Aber wir waren ja unter uns.

Ernst blieb ernst, hatte eine Brille auf der Nase und eine weitere auf dem Kopf. Zum Wechseln. Gleitsichtbrillen verweigert er. „Da kommt alles so durcheinander“. Er notierte auf einem mitgebrachten Millimeter-Block erkannte Farben (sollen ja mehrere Millionen sein), individuelle Enttäuschungen, die die über mehrere Zehntelsekunden lange, nicht optimale Auflösung des Bildes betrafen, vermeintliche Kontrast-Fehler bei zu raschen Perspektiv-Wechseln, Einzelheiten über nachlässig geführten Weißabgleich, daraus resultierende Mängel in den Grau-Abstufungen und krasse Patzer der Dolby-Beschallung, die seiner Meinung nach in weiten Strecken nicht immersiv genug abbildete. Er hatte gut zu tun und wirkte beinahe entspannt.

Schärfer als Bayerisches Kokain

Erwin war mit sich und der Welt im Reinen. In unregelmäßigen Abständen zwischen kurzen Trinkpausen sonderte er ausschließlich positive Kommentare ab: „Da legst di nieder“. „Ja leck mi doch..“. „Hund san´s scho, de japanischen Koreaner“. „Ui is dös schee bunt“. „Und schärfa wia a Schmalzler“ (das ist Bayerisches Kokain – also Schnupftabak). Da er mit seiner „Krachledernen“ auf einer Couch aus feinstem, mundgeblasenem Feldhamster-Leder hockte, trübten bei jeder noch so winzigen Bewegung ordinäre Störgeräusche den akustischen Gesamteindruck. Die ahnungslosen Techniker, die Erwins Beinkleid keinerlei Beachtung geschenkt hatten, tuschelten verunsichert über „gewaltige Flatulenzen“, die zweifelsohne ein Phänomen darstellen mussten, da es nirgends im Raum typisch roch.

Der Kurti? Hatte mit „seiner“ Bedienung inzwischen Brüderschaft getrunken, gab kund, dass zu viel Heckmeck wegen Fußball gemacht sowie zu wenige Moped-Rennen gezeigt werden. Erklärte fachmännisch beeindruckt, dass „4K ungefähr so wie Viertakt- gegen Zweitaktmotor ist“ und erkundigte sich artig, ob es auch eine Halbzeit Show „mit Mädels und so“ gibt?

Schlachtfeld aus Salzgebäck

Immer nah am Nervenzusammenbruch, zurückzuführen auf fußballerisch hundertprozent talentfreie „dilettantische Dilettanten“, „depperte Deppen“, „Schrumpfköppe“, „Luftpumpen“ und „Vollpfosten“, überlebte der arme Heinz die 4K-Übertragung nur ganz knapp. Apathisch nach Luft schnappend hing er in „der Bank“. Sein Sitzplatz und das nahe Umfeld glichen einem wüsten Schlachtfeld. Schuld daran war die Angewohnheit, jedem einzelnen Brüller mit wildem Armgefuchtel Nachdruck zu verleihen und die Faust voller Chips auf die auf dem Bauch stehende Schale herniedersausen zu lassen wie weiland Thor seinen Hammer.

Fragmente von Salzgebäck perlten im stillen Wasser von Ernst, versanken im Masskrug von Erwin und hatten sich sowohl in den übersichtlichen Frisuren der Testmannschaft als auch in sämtlichen Nischen und Ritzen des Edelsofas „verkrümelt“.

Dieses gewaltige Gemenge an widersprüchlichen Informationen, Null-Aussagen, blödem Geschwafel und Desinteresse sollte sich nach Wunsch meines Meisters hurtig in einem umfassenden, aufklärendem, informativen, kritischen, packenden aber ehrlichem Bericht niederschlagen. Wisst Ihr nun, was ich unter Albträumen verstehe? Ahnt ihr die Ausmaße dieses depressiven Kosmos, in dem ich rastlos schwebte, während ich mich im Bett wälzte, wobei ich Kissen und Decke durchschwitzte?

A Dream within a Dream

Ich erwachte wie gerädert, widmete mich in lethargischer Stimmung der rudimentären Körperpflege, taumelte in den Redaktions-Palast von Ultra HDTV.net, nahm an meinem aus profanem Elfenbein geschnitzten Schreibtisch Platz, warf den PC an und schrieb mit schwindender Kraft folgende Erbaulichkeiten:

„Also der neue Ultra-Turbo-Hyper-4K von …. ist das Beste, Großartigste und Wichtigste, das jemals von Menschenhand erschaffen wurde. Ein ausgesuchter Kreis namhafter, hochbegabter, indes äußerst kritischer, absolut unbestechlicher Techniker und Ingenieure fiel in einer von Ultra HDTV.net wieder einmal umwerfend verblüffend gestalteter Überraschungs-Vorführung vor Verzückung kollektiv in Ohnmacht und wird noch heute wegen sensationeller Endorphin-Ausschüttungen von wohlmeinenden Wissenschaftlern und Fachärzten betreut.

Ich darf Heinz H. zitieren, der mir unter Tränen gestand, Fußball endlich einmal so erlebt zu haben, wie er in echt nie stattfindet. Ernst L. zeigte mir seriöse Skizzen, die dokumentieren, dass der Neue exakt 1400339 Farben wiederzugeben in der Lage ist und Kurti K., der sensible Feingeist in der Runde der gefühlsarmen, nüchternen Wissenschaftler, ging aus sich heraus, als er diesen überirdischen TV-Empfänger mit dem „Sprung vom Zwei- auf den Viertaktmotor“ verglich. Erwin N. verlieh seiner Überzeugung Ausdruck, dass es in der deutschen Sprache keine Begriffe für die treffende Schilderung erlebter Wunder gebe und dass höchstens fast schon ausgestorbene orientalische Dialekte definieren könnten, was er meine – aber die könne man dann ja nicht übersetzen.

Mit einem markerschütternden Schrei bin ich dann WIRKLICH aufgewacht. Inzwischen geht es mir besser. Mal schaun, ob heute ausnahmsweise mal was los ist in diesem Saftladen

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