So So. Es gibt also schon wieder Neueres, Besseres, Revolutionäreres, alles Dagewesene über den Haufen werfendes. Ich bin kein Jammerer! Während ich diese Sätze ächzend und stöhnend in die Tastatur hacke, leide ich allerdings unter Schnapp-Atmung wie Horst Schlämmer. Der Puls galoppiert Westerngaul-mäßig, die Stirnadern beginnen zu schwellen und nehmen einen ungesunden, bläulich-lila Farbton an. Nackenhaare sträuben sich, der Hemdkragen wird eng und enger, obwohl ich ein T-Shirt anhabe. Herz, Lunge, Milz und was-weiß-ich-noch stechen oder brennen oder brennen und stechen gleichzeitig. Der Schweiß kullert in dicken Tropfen über das schmerzverzerrte Antlitz. Wenn ich mich nicht irre, rege ich mich gerade furchtbar auf.

Soll ich nicht, sagt der Onkel Doktor. Dabei regt der sich selber immer auf, wenn er meine Blutwerte kommentiert. Wie erkläre ich meinen aus heiterem Himmel kommenden, fürchterlichen Zorn und meine aufkommende Resignation am besten? Ich darf nicht ausflippen, deswegen schreibe ich jetzt einfach erst mal den Begriff „Sony ZD9-Serie“. Leser wie Ihr, die das Metier kennen, wissen, dass es sich um nagelneue Ultra-HD-Fernseher handelt.

Alles ohne HDR ist sowieso „bäh“

Logischerweise mit HDR, denn alles ohne HDR ist ja inzwischen sowieso „bäh“ und auch HDR ist nicht einfach HDR und damit Basta, sondern solches oder solches HDR. Mit oder ohne Plus oder Ultra nebst zahlreichem Hersteller-spezifischem Abkürzungs-Pipapo, das HDR erst zu „richtigem“ HDR macht und keinesfalls nur eine effektive Kontrast-Steigerung meint. Seit Monaten tobt der Kampf unter den Giganten der Flatscreen-Produzenten und wer sich bis vor kurzem ganz sicher war, mit einem OLED-TV das Non-Plus-Ultra inclusive Prädikat „Besser geht nicht“ im Wohnzimmer stehen zu haben, der muss sich umorientieren!

Denn wenn man dem Kollegen Roland Seibt von der Zeitschrift „Video“ glauben darf, wurde von Sony ein neuer Meilenstein in sachen ausgereifter Bildelektronik sowie dem „brillantesten Backlight aller Zeiten“ gesetzt, der neue Rekorde in puncto Kontrast und Farbstärke zementiert; ach was: betoniert. In seinem Fazit schwärmt der stellvertretende Chefredakteur: „Mit seinen beiden aktuellen Innovationen „Backlight Master Drive“ und „Prozessor X1 Extreme“ hat Sony absolut ins Schwarze getroffen. Noch niemals vorher war ein TV-Bild so hell, klar und detailreich wie hier“.

Keinesfalls würde ich dem erfahrenen Test-Redakteur, einem seriösen, neutralen Fachjournalisten unterstellen, dass er nicht seine ehrliche Überzeugung in jubelnde Worte kleidete. Außerdem sprechen Grafiken und Tabellen aus dem High-End-Testlabor von „Video“ Bände – Sony rockt anscheinend echt das Haus (dazu später Näheres). Was mich indes fuchsig macht und zu oben geschilderter Pein führt, ist, dass auf dem Rücken des Verbrauchers ein Kalter Krieg ausgetragen wird. Verflochten mit Hochrüstung an allen Fronten wie in den 1980er Jahren.

Überfüttert, überfordert, gelangweilt

In aller Kühnheit behaupte ich zum wiederholten Mal, dass diese Taktik grundlegend falsch ist. Dass sie den Umsatz bremst und den Handel lähmt. Wieso? Weil der Kunde, der sich nicht intensiv mit der Thematik „4K“ und „Ultra-HD“, geschweige denn mit „Ultra-HD-Blu-Ray“ oder gar „8K“ beschäftigt, gelangweilt und ausgegrenzt wird! In einer Phase, in der man in den Marketing-Abteilungen anscheinend primär darauf setzt, die Kundschaft mit Fach-Termini, firmeneigener Produkt-Lobhudelei oder nicht nachvollziehbarem Technik-Kauderwelsch ebenso zu überfüttern wie zu überfordern, wird völlig außer Acht gelassen, dass sich die meisten Leute lediglich einen besseren Fernseher mit möglichst umwerfender Bildqualität anschaffen wollen, was zu äußerst individuellen Resultaten führen kann, die mit noch so vielen Tests nicht nachvollziehbarer werden.

Dabei ist es der großen Mehrheit relativ egal, wie dieser von ihnen favorisierte optische Eindruck zustande kommt und was Techniker und Ingenieure alles ausgetüftelt haben, um noch ein paar Millimeter Vorsprung gegenüber der Konkurrenz herauszuholen. Hauptsache für den Kaufwilligen ist, dass das Ergebnis – das Bild eben – stimmt, Preis und Ausstattung in Ordnung sind. So ähnlich wie beim Auto. Wie oft muss ein Neuwagen-Verkäufer über Ansaugstutzen, Turbolader, Doppelkupplungs-Getriebe, Servo-Systeme, Stoßdämpfer oder Auspuff-Anlagen referieren? Gewiss weitaus seltener, als er Fragen zum Thema „Extras“, Farben und Ausstattungs-Varianten beantwortet.

Jetzt ist es aber so, dass das Kraftfahrzeug des Deutschen liebstes Hobby ist. Weswegen man in aller Regel durchaus profunde Kenntnis der Materie voraussetzen darf. Wesentlich mehr als auf dem Sektor Unterhaltungs-Elektronik ganz sicher. Deswegen „ermüdet“ Otto Normalverbraucher recht schnell, wenn er – Verzeihung – „totgequatscht“ oder mit spezifischen Infos überhäuft wird, die für ihn ein Buch mit sieben Siegeln sind.

Verkäufer jeden Tag auf dünnem Eis

Aber nicht nur der Kaufwillige resigniert, sondern zunehmend auch das Verkaufs-Personal. Mal eben so 2000 bis 8000 Euro in einen neuen Fernseher zu investieren, fällt nur einem verhältnismäßig kleinen Teil der Bevölkerung nicht zur Last – wir jammern also auf hohem Niveau. Wer sich nach gründlicher Abwägung zum Umstieg auf 4K-TV entschieden hat, mag garantiert nicht nach einem oder zwei Jahren zur Kenntnis nehmen müssen, dass er besser noch hätte warten sollen, weil er dann ein wesentlich besseres Gerät zu einem enorm günstigerem Preis bekommen hätte.

Deswegen wagt sich quasi jeder noch so gut geschulte Fachverkäufer Tag für Tag auf dünnes Eis. Falls er der Kundschaft empfehlen würde, lieber noch auf neuere Modelle zu warten, hätte er ruckzuck Probleme mit seinem Chef, der natürlich auf kontinuierliche Reduzierung der Lagerbestände erpicht ist – und mit sich selbst, der er auf Provision angewiesen ist.

Ich hatte neulich ein ebenso frustrierendes wie erheiterndes Erlebnis, als ich die Filiale einer renommierten Elektronik-Markt-Kette aufsuchte und spaßeshalber mal so in Richtung Ultra-HD-Fernseher schlenderte. Ich gebe zu, dass ich die Geschichte ein wenig überspitzt formuliere, aber das „Fundament“ ist echt.

Ein (den Pickeln nach zu schätzen) recht junger Herr im geschniegelten Anzug stand sozusagen vor dem „Angebot des Tages“ und litt erkennbar an der alles andere als leichten Aufgabe, „Umsatz“ zu machen. Garantiert wurde die Nachwuchskraft heimlich gefilmt, um irgendwann belehrt zu werden. Der Mann fühlte sich auf jeden Fall beobachtet und kniff in unregelmäßigen Abständen das linke Auge zu, was durchaus zu falschen Interpretationen vor allem weiblicher Kunden beitrug.

Gut, besser, am besten?

Jetzt muss ich, was Marken und Namen angeht, nochmals ein bisschen flunkern. Es handelte sich – bei identischen Diagonalen von 65 Zoll – um einen besonders günstigen 4K-Flatscreen von Auwei, einen soliden Samasonyc sowie um ein OLED-Flaggschiff von Panalogic. Natürlich waren die Preise entsprechend der „Gewichtsklassen“ gestaffelt: 2500, 4000 und 5000 Euro. Worin die klassische Herausforderung für den Verkäufer bestand, kann man sich denken, oder? In diesem Sinne: Ring frei!

Unser aller Ansprechpartner hatte zweifelsohne intensiv geübt, Zuversicht und Fachkenntnis auszustrahlen – bis die erste, wirklich wuchtige Frage kam: „Welcher is´n eigentlich der Beste?“. Nonchalant lächelte der Experte dem vermeintlich Unwissenden zu und deutete so dezent, dass es wirklich jedem Anwesenden auffiel, auf den 5000-Euro-Flatscreen. „Aha!“, entgegnete der Ratsuchende, nahm gleichzeitig aber die Schultern nach oben, blinzelte tückisch und wollte Folgendes ergründen: „Warum?“

Aus einem Wortschwall, der durch taktisch klug eingesetztes Husten und Räuspern an komplexen Stellen unterbrochen wurde, drangen die Fragmente „sehr intelligente Frage“, „höchste Qualität“, „Marktführer“, „zukunftssichere Technik“, „Garantie“ und „neueste Standards“ sowie „beste Wahl“ hervor.

Solidarität nach rotzfrechem Statement

Vergleichsweise kühl bohrte der quirlige Herr weiter. „Haben die alle HDR und so Dings, ähm, Bäggleit, Kandela, Elzede-Pännl und dieses Siegel da, wo wichtig ist, wegen der Zukunft?“. Zweifellos war das Logo „UHD-Premium“ gemeint. Der inzwischen mittelstark transpirierende Verkäufer raunte pikiert „selbstverständlich“ und suchte verzweifelt nach einem neuen, weniger forschen Herausforderer in der kontinuierlich anwachsenden Interessenten-Runde, die mittlerweile einen bedrohlichen Halbkreis bildete.

„Könnt ihr alles vergessen, was der Typ da absondert, ey! Voll der kapitalistisch ausgebeutete Knecht. Digital stirbt sowieso. Keine Seele, Mann. Sieht man doch an der CD. Tot! Vinyl ist wieder da. Es lebe die LP! Und die Röhre kommt ebenfalls wieder. Lasst euch nicht ausbeuten und verarschen, ihr Konsum-Sklaven“. Muss ich betonen, dass des Intervenierenden Haupt Dreadlocks zierten und er ein gebatiktes T-Shirt trug?

Spontan signalisierten alle Umstehenden Solidarität und Sympathie für den schwitzenden Anzug und richteten indirekte Worte des Trostes an ihn. So in der Richtung, dass sie längst wüssten, dass 4K „irgendwie echt besser als bloß normal HD“ sei und dass man auf jeden Fall mehr Geld ausgeben soll, um auf der sicheren Seite zu sein. Beflügelnde Argumente. Dem Auwei keinerlei Betrachtung mehr schenkend, schoss sich der die Gunst der Stunde ausnützende Verkaufs-Stratege auf die Champs im Halbschwer- und Schwergewicht ein und agierte dementsprechend kämpferisch.

Sämtliche Trümpfe auf Zuruf ausgespielt

Alles lief plötzlich irgendwie automatisch, sozusagen auf Zuruf ab:

„Hat der HDMI? Also Ein- und Ausgang?“

„Ja selbstverständlich, mein Herr. Hatta!“

„Aber schon Zwokommanull?“

„Zwonull? Hatta!“

„Und Dolby?“

„Hatta!“

„Was is mit Dingenskirchen, na, 3D?“

„Hatta!“

Die Atmosphäre war aufgeputscht, der Verkäufer gewann enorm an Selbstsicherheit, spürte förmlich bei vielen Umstehenden die Entschlossenheit zum Kauf wachsen. Ich konnte mich beim großen Quiz nicht zurückhalten:

„4:4:4?“

„Hä? Ach ja. Hatta!“

„21:9 Passthrough?“

„Moment, da müsste ich mal… Nö. Hatta!“

„Sender-Direkteinspritzung?“

„Hatta!“

„Ultra-HD-Katalysator?“

„Hatta!“

„Display-Heizung?“

„Hatta! Hatta!“

Ich gab an einen anderen Wissbegierigen ab und verzog mich, bevor man mich als Dummschwätzer entlarvte. Ob die jubelnde Meute den Muster-Angestellten im feinen Zwirn anschließend auf den Schultern hinauf in die Chef-Etage trug, ist mir nicht bekannt. Wundern würde es mich nicht. Und die Moral von der Geschicht´: Gib allen recht, sonst verkaufst Du nicht.

Butter bei die Fische: Sonys Geheimwaffen

Am Ende des Artikels nun die „Geheimwaffen“ der Sony ZD-9 Serie, die überraschenderweise nicht aus einer anderen Welt stammen. „Backlight Master Drive“ ist der fachchinesische Terminus für die Hintergrundbeleuchtung, über die bekanntlich jeder 4K-LCD-Fernseher verfügt. Nur wurde bei Sony nicht gekleckert, sondern geklotzt. bravia-zd9-von-sony_28

Statt nur ein paar Leuchtpunkte am Rand zu schaffen, wurden enorm viele Lämpchen direkt hinter dem Panel verbaut. Die Masse macht den Unterschied. Mit 3000 Nits strahlt Sonys Backlight zwei bis drei Mal heller als die Konkurrenz. Weil die LEDs (speziell beschichtet, schmalfrequent und deshalb teuer) nicht zu Clustern kombiniert wurden, sondern jede Einzelne exakt ansteuerbar ist, wird es möglich, beliebig winzige oder großflächige Teile des Bildes zu dimmen oder mit voller Power zu „durchstrahlen“. Tiefstes Schwarz und gleißendes Sonnenlicht koexistieren in seltener Eintracht.

Möglich macht das die Kombination mit dem 4K-HDR-Bildprozessor „X1 Extreme“, der über 40 Prozent mehr Rechenleistung als sein Vorgänger verfügt, die er für die Bildaufbereitung aus allen verfügbaren Quellen nützt. „X-tended Dynamic Range“ wurde ein Bildverbesserungs-Modul getauft, welches zusätzliche Kontrast-Optimierungen bringt – sogar bei HDR-Filmen. Als 65-Zöller kostet der Sony KD-65ZD9 um die 5000 Euro. Zehn Zoll mehr Diagonale schlagen mit rund 8000 Euro zu Buche, wer 100 Zoll will, muss ein fettes Sparschwein mit 70.000 Euro im Bauch schlachten.

Warten wir ab, wie lange es dauert, bis noch blendenderes Backlight, noch leistungsfähigere Bildprozessoren und noch raffiniertere Kontrast-Optimierungen am Sony-Thron rütteln. Ich schätze mal, dass sich vor dem Fest der Feste noch was tut…

 

 

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