Neulich habe ich in einer Fachzeitschrift, deren sachlich nüchterne Redakteure sich üblicherweise in inhaltsschweren Sätzen ernsten Themen aus der Unterhaltungs-Elektronik widmen und nach gründlichen Recherchen kluge Artikel verfassen, eine schier herzerwärmende Geschichte gelesen, die noch jetzt quasi ununterbrochen durch meine Gehirnwindungen huscht.

Umso intensiver, wenn Schneeregen an das Fenster klatscht und ein kräftiger Wind herbstlich gefärbte Blätter, Mc Donalds-Tüten und dieser ganz kleinen Handtaschen-Hunde lustig durch die Luft wirbelt, dass es eine wahre Freude ist.

Mit dem Gleitschirm über Pfützen

Hektisch kreischende ältere Damen versuchen, während sie mit hoch erhobenen Armen unkontrolliert durch die Gegend stolpern, ihre abgehobenen Vierbeiner aufzufangen, was ihnen nicht immer gelingt. Wesentlich öfter kollidieren sie mit Leidensgenossinnen, die das selbe Problem haben und winden sich dann mit schmerzverzerrten Gesichtern auf dem Trottoir.

Dick vermummte Fußgängerinnen und Fußgänger, die leichtsinnig genug waren, einen Regenschirm aufzuspannen, werden von heimtückischen Böen erfasst und üben sekundenlang ungewollt das Gleitschirmfliegen. Überall gibt es spritzende Pfützen, die hinterlistig Autofahrern auflauern und mich fröstelt es maximal angenehm, da ich ja im Trockenen, im Warmen sitze.

„Regen & Sturm: Ein lauschiges Heimkino als Rückzugsort“ – das war die Überschrift der inspirierenden Geschichte, die für mich in besonders hektischen Situationen des Alltags wohl noch lange Zeit eine immergrüne Oase bleiben wird, in die ich mich blitzartig gedanklich zurückziehen kann, ohne dass Kollegen etwas mitkriegen. Blöde Anmerkungen, denen zufolge ich in letzter Zeit häufig grenzdebil grinse, jucken mich nicht. Ihr kennt ja den Vergleich mit der deutschen Eiche und der Wildsau.

Drei Dinge braucht man unbedingt

Wie heißt es in meiner Lieblings-Lektüre so schön? „Wenn es draußen stürmt und schneit, wird es wieder Zeit, sich in die eigenen vier Wände zurückzuziehen. Eine gute Gelegenheit, die gute Stube in ein eigenes Heimkino zu verwandeln“. Schriftsteller solchen Kalibers wären des Literatur-Preises  würdig! Stattdessen rennt man diesem immer übel gelaunten, hochnäsig näselnden Bob Dylan hinterher und bettelt um dessen möglichst höchstpersönliches Erscheinen bei der feierlichen Verleihung! Soll er bleiben, wo der Pfeffer wächst!

„Drei Dinge“, schreibt mein Meister, „sind erforderlich, um das Wohnzimmer zum Heimkino umzurüsten: gemütliche Sitzgelegenheiten, ein gut sichtbarer Bildschirm und das passende Licht“. In meinen kühnsten Träumen hätte ich es nicht besser formulieren können. Vor allem das mit dem gut sichtbaren Bildschirm leuchtete mir ein wie das passende Licht und ich sank voller Ehrfurcht auf meine gemütliche Sitzgelegenheit.

Sichtbarkeit hängt von der Größe ab

In tiefer Demut wage ich anzumerken, dass meiner völlig unmaßgeblichen Erfahrung nach ein Bildschirm desto besser sichtbar ist, umso größer er ist. Grammatikalisch stellt der letzte Satz eine Katastrophe dar – aber ich bin halt noch einer dieser hochbetagten bajuwarischen Germanen, die in ihrer Jugend erst alte Bräuche der Sippe und später neumodisches Zeugs in der Schule lernten.

Und nachdem der Trampel Donald jetzt den mächtigsten Mann der Welt markiert, ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass wir uns nach friedfertigen, gottgewollten, taktisch präzise von den Amerikanern ausgeführten Nuklear-Schlägen gegen uns umzingelnde Feinde aus einem stetig wachsenden Heer von Schurkenstaaten die alten Tugenden von kleinen Stämmen wieder aneignen müssen.

Anno dazumal war auch nicht schlecht

Wie schön war es anno dazumal, als ich mit Papa, unserem weisen Häuptling, einigen ungestümen jungen Kriegern und unserem Universal-Magier/Medicus kurz vor Wintereinbruch zum letzten Mal zur Mammut-Jagd aufbrach! Wir hatten prima Speere geschnitzt, unsere Feuerstein-Klingen gewetzt und diverse fintenreiche Manöver ausgebrütet, mit denen wir die Tiere nullkommanix austricksten. Im Dorf wurde die Beute brüderlich geteilt, dann hieß es voneinander Abschied nehmen bis zum Frühling und jeder kroch in seine urige Behausung.

Unser Bildschirm war das Kaminfeuer. Wir räkelten uns auf Bärenfellen, während Papi wieder und wieder in blumig ausgeschmückter, fast orientalisch reicher bayerischer Mundart Legenden oder Heldentaten ruhmreicher Stammesführer vortrug und Mutti hübsche Mützen aus Mammut-Leder strickte oder zottelige Stiefel häkelte. Kinder, wie die Zeit vergeht!

Humpelnden Kriegern helfen Netflix und Co.

Heute haben wir es natürlich viel gemütlicher. Kaufen Mammut-Schnitzel beim Metzger um die Ecke, haben Zentralheizung und Ikea und brauchen auf dem PC-Monitor nur anzuklicken, welchen am besten sichtbaren Flatscreen wir wollen – schon wird er am nächsten Tag geliefert.

Die Zeiten, in denen ältere, in zahlreichen Schlachten verwundete Krieger ächzend und stöhnend zu Videotheken oder DVD-Verleih-Anstalten humpeln mussten, sind längst passé. Es gibt Netflix, Maxdome, Amazon und Sky und auf Wunsch sind wir überall live dabei. Ach wenn doch nur das ganze Jahr über Winter wäre! Und wo, zum Kuckuck, sind überhaupt die Mammuts geblieben?

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